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Sillabario di genetica per principianti (A beginners’ primer of genetics)

Die DNA unserer Zellen, das Genom, ist eine Botschaft aus der Vergangenheit. Ihr Absender sind Millionen unserer Vorfahren. Ihr Inhalt besteht aus Anweisungen, die es der befruchteten Eizelle ermöglichen, sich zu vermehren und den komplexen Organismus zu bilden, der wir sind, und ihn zum Funktionieren zu bringen. Seit einigen Jahren ist es technisch möglich, mit geringem Aufwand und in großem Maßstab zu lesen, was im Genom geschrieben steht.

Von diesem immensen Text, der in etwa so lang ist wie sechstausend Exemplare des Buches Die Verlobten, kennen wir das Alphabet, d. h. die vier Basen, die in langen Reihen die Chromosomen bilden. Wir verstehen sein Lexikon, d. h. die Bedeutung der einzelnen Wörter, aus denen es besteht, also die Gene. Jedoch sind wir noch weit davon entfernt, seine Syntax zu verstehen, d. h. die Art und Weise, wie jedes Gen auf die Funktion der anderen Gene und auf Botschaften aus der Umwelt reagiert. So können wir heute durch Ablesen der DNA nur die einfachsten Krankheiten vorhersagen, nämlich solche, die von einem einzigen Gen abhängen, während wir noch lange nicht genug wissen, um Diabetes, Krebs, Bluthochdruck oder Parkinson vorauszusagen oder auch nur, wie unser Taillenumfang aussehen wird. Die Herausforderung besteht darin, sich in dieser gewaltigen Komplexität zurechtzufinden, und dies betrifft nicht nur diejenige, die biomedizinische Forschung betreiben oder die Evolution studieren: Die DNA hat heutzutage überall Einzug gehalten, in Gerichtssälen ebenso wie auf Websites, die uns gegen eine Gebühr Einblicke in unsere Identität gewähren; die Zeitungen verkünden ständig die Entdeckung von Genen, die uns vermeintlich klug oder schüchtern oder sexy oder kriminell machen. Und last but not least sind wir als Bürger aufgerufen, Entscheidungen darüber zu treffen, welche persönlichen genetischen Daten veröffentlicht werden dürfen oder sollen, oder darüber, wie viel und wie legitim es ist, die DNA von Organismen, einschließlich unserer eigenen, zu verändern.

Dieses Buch enthält mehr Fragen als Antworten, was enttäuschend sein mag; aber Wissenschaft, oder zumindest gute Wissenschaft, funktioniert so: Jede neue Entdeckung konfrontiert uns mit neuen Fragen, über die wir zunächst nachdenken müssen.


Guido Barbujani hat an der State University of New York in Stony Brook und an den Universitäten von London, Padua und Bologna gearbeitet. Er lehrt Genetik an der Universität Ferrara und schreibt für die Sonntagsbeilage von „Il Sole 24 Ore“. Im Verlag Bompiani veröffentlichte er den Roman Tutto il resto è provvisorio und das Sachbuch L’invenzione delle razze (Premio Merck Serono und in der Auswahl für den Premio Galileo).

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