Uvaspina
von Acito MonicaEr wurde mit einem Muttermal unter dem linken Auge geboren, wie eine blasse, von Haut umschlossene Beere: Uvaspina – Stachelbeere – hat sich schnell daran gewöhnt, mit diesem Namen gerufen zu werden, der ihn mit seinem Fleck identifiziert. Und er kann sich an fast alles gewöhnen: an seinen Vater, Notar Pasquale Riccio, der sich seiner schämt; an die Spaiata, seine Mutter, die Pasquale Riccio mit ihren Künsten als leichtes Mädchen und Klageweib umgarnte und nun damit hadert, dass sie ihre Reize verlor, und immer, wenn er aus dem Haus geht, vorgibt zu sterben. Aber vor allem ist Uvaspina gewöhnt an seine Schwester Minuccia, die von klein auf eine Energie besitzt, die den Bruder mit ihren unvorhersehbaren Ausbrüchen, den Racheakten und ihrem Mutwillen in Schach hält, mit dem sie die empfindlichsten Punkte trifft, zum Beispiel wenn sie sagt: „Deine Kameraden hatten recht, du bist wirklich ein Weichei.“ Und dennoch kennt nur Uvaspina den Auslöser, der seine Schwester zu einem Strummolo macht, einem Kreisel, der mit seiner trudelnden Metallspitze verletzen kann. Und nur Minuccia erahnt die Träume von Uvaspina, wenn der Kreisel sie wach hält und sie seine feinen Züge im Schlaf beobachtet. Um sie herum Neapel, die Stadt mit den siedenden Eingeweiden, mit ihren zum Himmel gereckten Vierteln, den Tentakeln, die ins Meer greifen, das sie begrenzt und durchdringt. Und gerade an der Grenze zwischen Stadt und Meer, zwischen Geschichte und Mythos begegnet Uvaspina dem Fischer Antonio, der zwei verschiedenfarbige Augen hat, Bücher liest und keine Angst vor Blut hat, der mit dem Boot bis Procida fahren kann und ein Kind in die Welt setzt, das an sich selbst zweifelt. Die Reinheit ihrer Begegnung kann allerdings in den Grotten von Palazzo Donn‘Anna nicht lange verborgen bleiben: Die Stadt zieht sie an sich, der Kreisel dreht sich und seine Schnur vereint ihre Geschicke für immer. Eine Leidenschaft, die von Hohn und Schande belastet wird. Die Zweideutigkeit der brüderlichen Liebe, die Notwendigkeit, das es Schatten gibt, damit Licht sei. Und schließlich der Stil der jungen Autorin Monica Acito, die es versteht, auf originelle Weise an eine große Literaturtradition anzuknüpfen. Sie mischt die tellurische Kraft der Volkssprache mit der Frische einer Erzählung über Heranwachsende und beschwört den Hunger nach Glück, der uns alle prägt.
- Verlag Bompiani
- Erscheinungsjahr 2023
- Seitenanzahl 416
- ISBN 9788830109957
- Ausländische Rechte l.bortolussi@giunti.it
- Preise 20.00
Acito Monica
Monica Acito (1993) spezialisierte sich auf moderne Philologie an der Universität Federico II. in Neapel. 2019 kam sie nach Turin, wo sie die Schule für kreatives Schreiben Scuola Holden besuchte. 2021 gewann sie unter anderem den Premio Calvino für Kurzerzählungen. Ihre Erzählungen wurden in zahlreichen Literaturzeitschriften veröffentlicht.