Il mare verticale

Wir sind es gewohnt, über den Geist zu sprechen, indem wir das Bild des Meeres verwenden: Wir erforschen die „Tiefen“ unseres Gehirns, wir lassen unseren bewussten Teil „auftauchen“ und unseren unbewussten Teil „untertauchen“. Freud selbst bezog sich auf denselben semantischen Bereich und prägte den Ausdruck ozeanisches Gefühl, um dieses Gefühl grenzenloser Energie zu bezeichnen, das uns gelegentlich überwältigt. In Il mare verticale  (Das vertikale Meer) geht es um die menschliche Zerbrechlichkeit und den daraus resultierenden Wunsch, eine persönliche, einzigartige Identität zu entwickeln und dabei ganz und gar menschlich zu bleiben. India ist eine junge Lehrerin, die unter Panikattacken leidet, die manchmal so stark sind, dass sie sie lähmen. Man rät ihr, ihren Job aufzugeben, aber sie beschließt stattdessen, die Krankheit zu akzeptieren, sie sich zu eigen zu machen und ihre Erfahrungen mit ihren Schülern zu teilen, indem sie sie in eine Art episches Märchen verwandelt, in dem die Heldin Hava einem heimtückischen Monster namens Kalabibi gegenübersteht. Dieses erzählerische Mittel versetzt den Leser auch in jene wundersame Kindheitserfahrung, in der man einfach nicht anders kann, als dazusitzen und gebannt einer Geschichte zuzuhören. Alle Schwierigkeiten des Aus- und Ansprechens öffnen sich hier zu einer universellen Zugänglichkeit, und Indias Zustand wird für jedermann empathisch nachvollziehbar.