La Legge del desiderio. Radici bibliche della psicoanalisi

„Fürchtet euch nicht!“ fordert Jesus die Menschen auf. Nicht nur, um ihr Leben von einer rein moralischen und sanktionierenden Auslegung der Gesetze zu befreien, sondern um die Existenz eines anderen Gesetzes zu bekräftigen, das sie ermächtigt, ihr eigenes Verlangen zu kultivieren – ihre eigene Berufung, ihre eigenen Talente. Dies ist das grundlegende Erbe der christlichen Botschaft, das von der Psychoanalyse Freuds und Lacans aufgegriffen wurde: das Wort Jesus wertschätzt ein Prinzip, dessen Begehren dem Leben und nicht dem Tod dient. Das zentrale Anliegen dieses Buches sind die Worte von Jesus, die von Massimo Recalcati auf originelle Art als eine der bislang unerforschten Wurzeln der Psychoanalyse des „jüdischen“ Freud und des „katholischen“ Lacan neu gelesen wurden. Es geht nicht darum, das Leben dem Gesetz zu unterwerfen, sondern im Gesetz – dem der Liebe und der Gnade – eine Kraft zu sehen, die dem Leben dient. Das Gesetz flößt nicht mehr die Angst vor schweren Strafen ein, erfordert nicht mehr den Übereifer förmlicher Einhaltung, sondern befreit sich von dem Tod, den es nach sich zieht, um zu einem Gesetz zu werden, das das Verlangen nicht aufhebt, sondern es im Gegenteil bestärkt. Dies ist das grundlegende Erbe, das die Psychoanalyse übernommen hat: Das Gesetz ist nicht der Feind des Verlangens, sondern seine fundamentalste Wurzel. Die Verweise auf Gleichnisse, Wunder, Heilungen, Petrus und Judas, die Nacht von Gethsemane, die Auferstehung und die Gedanken des Paulus von Tarsus werden auf erstaunliche Weise neu betrachtet. Recalcati stellt Gemeinplätze und Stereotypen der psychoanalytischen Lesart des Christentums in Frage, indem er mit großer Kühnheit zeigt, wie das Zeugnis Jesus vor allem ein Zeugnis für das unvergängliche Prinzip des Verlangens ist.