Interview mit Florence Raut Mitgründerin von
„La Libreria“ – Paris
Autor: Federica Malinverno, Actualitté
Wie ist das Projekt „La Libreria“ entstanden?
Nach einigen Erfahrungen als Übersetzerin vom Italienischen ins Französische lernte ich die Café-Buchhandlung „Leggere per due“, die nur Bücher auf Italienisch führte, und ihren Besitzer Gennaro Capuano kennen. Er hat einige Kulturprojekte mit mir geteilt und hatte im Sinn, seine Buchhandlung zu verkaufen. Ich war interessiert, aber die Mieten im vierten Arrondissement waren sehr hoch.
Auch wenn ich keine unternehmerische oder kaufmännische Erfahrung mitbrachte, las ich doch sehr viel. Außerdem mag ich Menschen, und der Plan, eine Buchhandlung zu eröffnen, gefiel mir. Dann, etwa ein Jahr bevor „Leggere per due“ zumachte, vertraute Gennaro mir den Laden an und ich stand plötzlich allein da, kochte Kaffee und verkaufte auch Bücher. Erst da habe ich, wenn auch spät, meine Berufung erkannt. Diese Erfahrung „im Feld“ war sehr nützlich.
Als ich beschloss, meine eigene Buchhandlung zu gründen, wollte ich auch Bücher auf Französisch anbieten. Ich habe also eine kurze, aber intensive Ausbildung am Nationalen Institut für die Buchhandelsausbildung (INFL) absolviert und mit einer italienischen Teilhaberin, die drei Jahre später anfing, eine französisch-italienische Buchhandlung gegründet.
Ihr Projekt umfasste also auch Bücher auf Französisch?
Damals – es war 2006 – gab es in dem Viertel, in dem ich „La Libreria“ gründete, keine französischen Buchläden: Also wollte ich – jedenfalls in der ersten Zeit – auch Bücher auf Französisch anbieten. Zuerst gewannen wir eine überwiegend französische Kundschaft aus dem Viertel. Inzwischen haben wir einen treuen, festen Kundenstamm im Viertel, aber mit der Zeit hat der italienische Anteil in wirtschaftlicher Hinsicht an Bedeutung zugenommen.
Wer hat Ihnen die italienischen Bücher geliefert?
Im Wesentlichen hatten wir mit einem italienischen Großhändler und mit Mondadori zu tun, der sowohl Einaudi als auch Mondadori zum Beispiel vertreibt und einen großen Teil des italienischen Verlagswesens vertritt. Wir hatten auch einige andere Ansprechpartner für Schulbücher. Jetzt sind wir breiter aufgestellt und arbeiten mit zwei Großhändlern zusammen, und für das ganze Schulbuchgeschäft arbeiten wir überwiegend direkt mit den italienischen Fachverlagen zusammen. In diesem Bereich entsteht in manchen Phasen des Jahres ein Großteil unseres Gewinns.
Wie stellen Sie das Sortiment zusammen?
Am Anfang habe ich mich vom Sortiment von Gennaros Buchhandlung inspirieren lassen, das ich dann meinem literarischen Geschmack anpasste. Auf der Grundlage meiner Kenntnisse und einer bibliografischen Arbeit haben wir ein Sortiment aufgebaut, das von den lateinischen und griechischen Klassikern über Dante und Cavalcanti bis zum 19. und 20. Jahrhundert und zu den Gegenwartsautoren wieTabucchi, Ammaniti usw. reicht. Man kann sie schwer alle nennen, aber wir sind absolut offen für Neuheiten und Entdeckungen!
Haben Sie seit der Eröffnung 2006 eine Entwicklung in der Rezeption und Wahrnehmung der italienischen Literatur beim französischen Publikum bemerkt?
In Frankreich ist die Wahrnehmung der italienischen Literatur an rund ein Dutzend Autoren gebunden, die berühmt und anerkannt sind, wie – unter den Gegenwartsautoren – Erri De Luca und Alessandro Baricco.
Wenn wir in den Jahren etwas zurückgehen, hat sich die Haltung zur italienischen Literatur mit Umberto Eco geändert, mit dem Erfolg von Der Name der Rose (1980, Bompiani und 1981, Grasset). In jüngeren Jahren erinnere ich mich an das Phänomen Goliarda Sapienza (Die Kunst der Freude erschien in Frankreich 2005). Im Januar 2007 fiel eine weitere Autorin auf, Milena Agus, die in Frankreich bei Liana Levi und in Italien bei Nottetempo erscheint: Mal di pietre wurde eine literarische Sensation. Und dann kam Elena Ferrante, die in Italien 2011 erschien und uns zu einem wahren Umsatzsprung verhalf.
Welches Gewicht haben die französischen Bücher in Ihrem Gesamtumsatz?
Rund 40 % unseres Umsatzes umfasst Bücher auf Französisch von italienischen, aber auch von französischen oder anderssprachigen Autorinnen und Autoren. Bücher auf Italienisch machen die übrigen 60 % aus.
Wie lief der Verkauf beim Salon du Livre de Paris 2023?
Auf der Basis unserer üblichen Verkäufe im Laden und der Erfahrung, die ich bei anderen Veranstaltungen wie Italissimo gemacht habe, konnten wir eine Bibliografie an Texten für den Salon du Livre aufstellen. Der Verkauf lief gut, wir mussten nur relativ wenige Bücher nach Italien zurückschicken. Einer der erfolgreichsten Namen ist Paolo Cognetti, gefolgt von den Krimiautoren (Gianrico Carofiglio, Maurizio De Giovanni, Donato Carrisi, Giancarlo De Cataldo), abgesehen von Schriftstellerinnen wie Stefania Auci und Goliarda Sapienza.
Hängen die regulären Verkäufe im Buchladen noch stark von den Klassikern ab?
Einige Bücher von zeitgenössischen Autoren und Autorinnen, die wir angeboten haben, wie Veronica Raimo, Alessandro Barbaglia oder Fabio Bacà, haben hervorragende Ergebnisse erreicht, aber es stimmt, dass viele Klassiker sich noch regelmäßig verkaufen, vor allem Moravia und Calvino. Das französische Publikum, vor allem Erwachsene, sucht häufig die klassischen Autoren und den schönen Stil, auch wenn wir je nach den Italienischkenntnissen der Leser/-innen verschiedene Autor/-innen empfehlen. Sehr häufig verkaufen wir zum Beispiel Novecento und Seide von Alessandro Baricco, aber auch die Bücher von Erri de Luca.
Glauben Sie, dass das lokale oder regionale Element in der Wahrnehmung der italienischen Literatur bei der französischen Leserschaft eine große Rolle spielt?
Ich denke, es ist ziemlich wichtig. Die französische Literatur hat diese wichtigen regionalen Konnotationen nicht, die in der italienischen Literatur so ausgeprägt sind. Und die französischen Leser interessieren sich sehr für die italienische Geschichte, die Regionen: Sie wollen Italien anhand seiner Literatur verstehen.
Sehen Sie Tendenzen in der italienischen Literatur, die heute in Frankreich übersetzt werden?
Mir scheint, dass ganz verschiedene Verlage in Frankreich italienische Titel anbieten, sowohl große Verlage wie Albin Michel oder Gallimard als auch sehr gute, aber kleinere Verlage wie Liana Levi, Métailié, Le Tripode, les Éditions du Sous-Sol oder Nouvel Attila. Diese Verlage übersetzen je nach Konzept verschiedene Bücher, manchmal eher literarisch und experimentell, andere eher auf schon erprobte Modelle ausgerichtet.