interviews
25 September 2024

Interview mit Piero Macola, Comicautor

Autor: Federica Malinverno, Actualitté

Interview mit Piero Macola, Comicautor

Der Comic ist meine Dimension der absoluten Ehrlichkeit

 

 

Piero Macola wurde 1976 in Venedig geboren, studierte am Institut Saint-Luc in Brüssel und zog dann nach Paris. Seit 2014 arbeitet er mit dem Verlag Futuropolis (Gallimard) zusammen, für den er Graphic Novels schuf (der jüngste Titel ist Der Schleuser, mit Christophe Dabitch, 2023). In Italien werden seine Werke bei Coconino Press veröffentlicht. Er ist einer der zahlreichen italienischen Comicautoren, die in Paris leben und arbeiten.

 

 

Wie sind Sie Comicautor und Illustrator geworden? Wie erleben Sie diese doppelte Karriere?

 

 

In Italien habe ich Ende der 90er Jahre eine Schule besucht, eine Art Abendkurs, bei dem mir klar wurde, dass ich viel zu lernen hätte. Anschließend habe ich eine besser strukturierte Schule in Belgien absolviert, in Brüssel. Das war ein dreijähriger Kurs. Am Ende dieses Studiengangs, 2002, erkannte ich, dass der französischsprachige Markt – Frankreich und Belgien – deutlich vielseitiger und interessanter als der italienische ist und dass die Comic-Kultur dort stärker verwurzelt und entwickelt ist. So zog ich nach Paris.

Ich hatte meine Arbeit aus dem Studium an verschiedene Verlage geschickt, ganz naiv, aber ein italienischer Verleger antwortete mir. Das war der frisch gegründete Verlag Coconino Press, bei dem Igort Verleger und Autor war. In der gleichen Zeit war auch Igort nach Paris gezogen. So lernte ich ihn in Frankreich kennen: Er ermutigte mich, meine Ideen zu entwickeln, und das Projekt, das ich eingeschickt hatte, wurde mein erster Comic (Fuori bordo, Coconino Press, 2009).

Ich fühle mich eher als Zeichner denn als Illustrator. Seit ich mit der Agentur Ghirigori zusammenarbeite, hatte ich verschiedene Chancen als Illustrator in Italien. Nach dem letzten Comic, der mich ein bisschen angestrengt hat – denn ein Comic erfordert viel Zeit und viel Energie –, arbeite ich jetzt seit einigen Monaten als Illustrator. Es handelt sich um Auftragsarbeiten, die weniger persönlich sind. Die Comics dagegen sind mein Raum für absolute Ehrlichkeit, sie fordern eine fast übertriebene, ich würde sagen leidenschaftliche Anteilnahme. Die Illustration ist für mich eher ein Gewerbe.

 

 

Was für eine Beziehung haben Sie zum französischen Verlagswesen? Und zum italienischen?

 

Meine Illustrationen veröffentliche ich alle in Italien, während ich in Frankreich einen Verlag habe, mit dem ich seit mehreren Jahren zusammenarbeite: Futuropolis. Wenn es um Comics geht, ist das jetzt, als wäre ich Franzose: Ich arbeite zuerst in Frankreich, dann verkauft der französische Verlag die Rechte an den italienischen Verlag. Für mich ist das jedenfalls ein enormer Unterschied: Beruflich und wirtschaftlich ist es interessanter, in Frankreich zu veröffentlichen und sichtbar zu sein als in Italien.

 

 

Wie würden Sie die Comic-Szene in Frankreich beschreiben, vor allem im Vergleich zu Italien?

 

In Frankreich erlebten Comics vor vielen Jahren einen großen Aufschwung, es werden mindestens 6.000 neue Titel pro Jahr veröffentlicht (2020 waren es 10.245, Daten des Verlegerverbands SNE, AdR), aber die Zahl der Leser ist etwa gleich geblieben: Während man z. B. früher 10.000 Exemplare in Frankreich verkaufte, verkaufen sich heute viele Titel mit einer Auflage von rund 2.000. Das wahre Problem ist also die Überproduktion.

Mir scheint, dass in der französischen Szene irgendwann die Mode der Graphic Memoirs aufkam, dann kamen die Reportage-Comics und dann eher Nischenproduktionen. Ich haben den Eindruck, dass die Verlage heute sehr auf soziale Themen achten, vor allem Themen, die in den Medien präsent sind. Auch Umwelt- und Frauenthemen sind sehr wichtig.

In Italien ist die Situation anders. Abgesehen von einigen Phänomenen wie Pera Toos oder Zerocalcare scheint mir, dass Bücher wie meine einen Marktanteil als „Super-Nische“ haben: Wenn ein Comic in Italien 3.000-4.000 Exemplare verkauft, ist das schon ein Erfolg.

 

 

Sie schließen sich also der Begeisterung durch die „Explosion der Comics“ in Italien in den letzten Jahren nicht an?

 

Auch in Italien gibt es jede Woche Literaturfestivals, und Comics werden in den Buchhandlungen verkauft, aber der Vergleich zwischen Frankreich und Italien ist meiner Ansicht nach auf einer allgemeineren Ebene zu sehen, im Zusammenhang mit der „französischen Ausnahme“: Durch Initiativen wie den Einheitspreis für Bücher konnten bestimmte Realitäten besser überleben als in Italien, und ein Netzwerk kleiner, unabhängiger Buchläden schafft es seit langer Zeit, sich zu behaupten.

 

 

In einem Interview sagte der Comicautor Tito Faraci, dass „das große Verdienst der italienischen Comics war und noch heute ist, dass der Autoren-Comic neben der populären Produktion zu existieren vermag“. Sehen Sie das auch so?

 

In Italien gab es immer eine Trennung zwischen dem populären Comic, den man am Zeitungskiosk findet, und dem Genre, das ich mache, das etwas snobistischer ist. Aber in der Vergangenheit gab es Autoren wie Hugo Pratt, die sehr populär, aber auch sehr hochwertig waren. Es ist also immer schwierig zu verallgemeinern …

 

 

Gibt es Ihrer Ansicht nach einen „italienischen Weg“ oder „italienischen Trend“ in den in Frankreich übersetzten Comics?  Es gibt italienische Autoren, die in Frankreich arbeiten und miteinander in Beziehung gesetzt werden können, aber ich würde nicht sagen, dass der italienische Comic als solcher in Frankreich wahrgenommen wird.

Eher denke ich, dass ab einem gewissen Zeitpunkt – mit der Gründung von Coconino Press in Italien – eine Gruppe von Illustratoren und Comiczeichnern trotz der stilistischen Vielfalt eine erkennbare Richtung an Arbeiten hervorgebracht hat, einen etwas internationaleren Comic. Die ersten Bücher von Gipi zum Beispiel, der dreizehn Jahre älter ist als ich, waren ein Schock. Gipi hat großen Einfluss auf mich und meine Generation gehabt. Vielleicht können wir ihn in Beziehung zu einer kleinen Gruppe von Autoren sehen, darunter Zerocalcare. Ich sage nicht, dass es Klone waren, aber seit den 2000er Jahren hat sich eine neue Art von Comics verbreitet.

Es gibt auch eine Tendenz, italienische Autoren ins Französische zu übersetzen: Ich denke an Manuele Fior, Giacomo Nanni und viele andere … Es gibt viele gute Illustratoren, die zum Beispiel für Dargaud oder Glénat arbeiten. Das sind schnelle, sehr geschickte Illustratoren. Manchmal kommen sie nach Frankreich, um ein eigenes Projekt anzubieten, das ihrer klassischen Arbeit ähneln kann, aber leicht serialisiert ist.

 

 

Wie sehen Sie Italien von Frankreich aus? Hat sich Ihr Verhältnis zu Italien durch die Entfernung verändert?

 

Ich lebe seit über 20 Jahren in Frankreich, und was sich verändert hat, ist, dass ich mit der italienischen Realität weniger vertraut bin. Aber es besteht noch eine sehr starke Bindung. Ich glaube, Calvino hat gesagt, dass die Herkunft nicht in einem Land, sondern in der eigenen Kindheit zu sehen ist: Ich habe dort, in Italien, meine Kindheit verbracht (abgesehen von ein paar Jahren in Paris), daher besteht eine sehr starke Bindung und eine Art Nostalgie, die ich vor allem spüre, wenn ich in Italien bin.

 

Actualitté

Interview mit Piero Macola, Comicautor
treccani

REGISTRIERUNG IM TRECCANI-PORTAL

Um immer auf dem Laufenden zu bleiben, was newitalianbooks betrifft