Interview mit Rocco Femia, Gründer und Leiter von Radici, dem zweisprachigen Magazin für Italien-Liebhaber
Autor: Paolo Grossi
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Der Verleger und Journalist Rocco Femia studierte Rechtswissenschaften in Italien, bevor er nach Frankreich zog, wo er seit über dreißig Jahren lebt. Als Gründer und Leiter des zweisprachigen Magazins Radici hat er mehrere Veröffentlichungen und zahlreiche Kooperationen mit italienischen und französischen Zeitungen vorzuweisen. Er ist Produzent von musikalischen Veranstaltungen zu kulturellen Themen rund um Italien, wie Italiens, quand les émigrés c’était nous; Les Ritals; Et si on chantait la paix; La Lettre.
Was ist Radici und welcher berufliche Weg hat Sie dazu geführt, dieses Magazin zu gründen und zu leiten?
Ich wurde in Kalabrien geboren, wo ich bis zu meinem 18. Lebensjahr lebte. Ich habe Jura in Apulien, in Bari, studiert. Schreiben war schon immer meine Leidenschaft und so gründete ich nach verschiedenen Berufserfahrungen und meiner Ankunft in Frankreich Mitte der 90er Jahre 2002 das Magazin Radici. Mein Ziel war es, nicht nur die Erinnerung an die italienische Vergangenheit in Frankreich zu kultivieren, sondern auch und vor allem auf diesem Weg Mittler der heutigen italienische Sprache und Kultur in all ihren Facetten zu sein.
Ihr Engagement beschränkt sich jedoch nicht allein auf die Leitung des Magazins, sondern erstreckt sich auch auf das Theater …
Die künstlerische Produktion ist ein weiterer wichtiger Teil unserer kulturellen Tätigkeit. Wir haben musikalische Veranstaltungen zu kulturellen Themen rund um Italien produziert wie beispielsweise Italiens, quand les émigrés c’était nous, eine Hymne an Toleranz und Brüderlichkeit, basierend auf den schönsten traditionellen und populären Liedern, die der immensen Migrationswelle der Italiener auf der ganzen Welt gewidmet sind. Dann eine Hommage an das italienische Kino mit Les inoubliables musiques du cinéma italien. Die größten Kino-Soundtracks, live aufgeführt von einem Orchester, vor dem Hintergrund von Liedern aus diesen Meisterwerken der Filmkunst. Szene für Szene erzähle ich Geschichten und Anekdoten in einem Stück, das nicht nur großartig, bewegend und lebendig, sondern auch unterhaltsam und lehrreich ist. Mit einem Wort, unvergesslich! 2018 habe ich Et si on chantait la paix? gemacht, eine vorausschauende Aufführung – und brandaktuell. Basierend auf den Liedern italienischer Autoren wie Fabrizio De André, Francesco Guccini, Ivano Fossati, Pierangelo Bertoli, Francesco De Gregori und anderen. Im gleichen Zeitraum begann die Tournee von Les Ritals, einer Theateradaption des Buches von François Cavanna mit dem Schauspieler Bruno Putzulu. Das Stück war mit über 220 Vorstellungen ein phänomenaler Erfolg.
Das letzte und derzeit in der Entstehungsphase befindliche Stück ist eine Koproduktion mit dem Théâtre Le Grrranit – Scène nationale de Belfort: La Lettre, eine Komödie von Mario Putzulu, erneut mit dem Schauspieler Bruno Putzulu, in der ich auch die Hauptrolle spiele! Als die Brüder Mario und Bruno Putzulu mich baten, dieses neue Stück zu produzieren, fühlte ich mich wie ein „Passeur“ zwischen zwei Seelen, die von einer unendlichen Liebe zu Sardinien, der Heimat des Vaters, beherrscht werden. Was kann sich ein Produzent mehr wünschen, der Italien, seine Geschichte und seine Seelenzustände zum eigentlichen Thema seiner Arbeit gemacht hat.
Wer sind die Leser von Radici und in welcher Beziehung stehen Sie zu ihnen?
Das Magazin bietet eine einzigartige Perspektive auf das aktuelle italienische Geschehen und die italienische Kultur. Das gefällt unseren Lesern, die alle eine Leidenschaft für Italien haben. Einige sind ehemalige italienische Auswanderer, Nachkommen der zweiten oder dritten Generation, aber im Allgemeinen lieben die Leser:innen von Radici Italien, seine Kultur, Lebensart und Sprache. Es gibt immer mehr junge Leser und Italienischlehrer an weiterführenden Schulen nutzen unsere Artikel gerne für ihre Schüler. Wir haben eine sehr starke Bindung zu unseren Lesern, die enthusiastisch und sehr loyal sind.
Radici ist ein zweisprachiges Magazin: Warum diese Wahl und wie wird das in die Praxis umgesetzt?
Das Magazin deckt ein breites Themenspektrum ab: aktuelle Ereignisse, Routen zur Entdeckung der Regionen und Sehenswürdigkeiten der Halbinsel, Kunst, Literatur, große italienische Persönlichkeiten, Geschichte, Auswanderungsgeschichte, Gastronomie, Politik usw. Einige Artikel sind auf Französisch verfasst, andere auf Italienisch, und letztere verfügen über ein Glossar am Seitenrand, um das Lesen auf Italienisch zu erleichtern. Für einige Artikel bieten wir auch eine Online-Übersetzung über einen QR-Code an, der den Text begleitet.
Wie viel Raum gibt Radici der Promotion italienischer Bücher?
Wir veröffentlichen regelmäßig Interviews mit italienischen Autoren und haben außerdem eine Rubrik „Bücher“, in der in jeder Ausgabe sechs Bücher mit Italien-Bezug vorgestellt werden, die aus dem Italienischen übersetzt oder von französischen Autoren geschrieben wurden.
Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, selbst italienische Bücher auf Französisch zu veröffentlichen?
Anlässlich des 150. Jahrestages der Vereinigung Italiens widmete unser Verlag 2011 der italienischen Auswanderung eines der weltweit bedeutendsten historischen Werke der letzten Jahre zum Thema italienische Auswanderung: Italiens 150 ans d’émigration en France et ailleurs. Dieses Werk ist mit mehr als vier Auflagen das mit Abstand meistverkaufte Buch unseres Verlages. Wir haben andere Werke veröffentlicht, die alle selbstverständlich ein Italien-Thema haben: der italienische Widerstand, Verdi, italienisches Kino, Geschichten über die Auswanderung usw. Und bald veröffentlichen wir L’Autre, einen Roman des Liedermachers Pippo Pollina, der in Italien, der Deutschschweiz und Deutschland große Erfolge feiert.
Könnten Sie uns abschließend den Titel eines aktuellen italienischen Buches nennen, das Sie gerne ins Französische übersetzt sehen würden?
Die Liste wäre zu lang. Aber wir stehen kurz vor der Fertigstellung der französischen Übersetzung des Buchs von Lorenzo Tosa, Vorrei chiederti di quel giorno (Ich würde dich so gerne nach diesem Tag fragen) (Rizzoli). Es ist die Geschichte seines Vaters, der Selbstmord beging, als der Autor des Buches zweieinhalb Jahre alt war. Aber es ist auch die Geschichte der Politik und des Protests der 1960er und 1970er Jahre und wie diese Jahre zu den 1980er Jahren führten. Es ist die Geschichte des Zusammenbruchs des Selbst und gleichzeitig einer Generation, die ihre Unschuld verliert. Von Vätern und Söhnen, von der psychischen Gesundheit, mit der man umgehen muss, von Narben und Mauern, die niedergerissen werden müssen.
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