Machiavelli in anderen Sprachen
Autor: Emanuele Cutinelli-Rendina, University of Strasbourg
Neben der Göttlichen Komödie und Pinocchio ist Der Fürst von Niccolò Machiavelli der am weitesten verbreitete und übersetzte Text der italienischen Literatur, und der, der, noch mehr als die anderen beiden, in der kollektiven Vorstellung etwas von der Kultur mit sich bringt, aus der er stammt (um ehrlich zu sein, nicht immer im positiven Sinne!). Doch während Dantes Gedicht und das unsterbliche Epos vom Holzknaben ein sehr großes Publikum haben, das vor allem vom literarischen Wert der Texte angezogen wird, ist Der Fürst bei ganz unterschiedlichen Leserkategorien sehr gefragt : Philosophen und Ideenhistoriker, Politikwissenschaftler und Soziologen, aber auch viele andere in verschiedenen Positionen tätige Menschen, die sich für die Dynamik und die intimsten Mechanismen menschlichen Verhaltens interessieren. Der Fürst hatte dann einen Dominoeffekt und weckte Interesse am übrigen Schaffen des Florentiners: von historischen Werken und Abhandlungen bis hin zu literarischen Werken, d. h. von Über die Kriegskunst über Abhandlungen über die ersten zehn Bücher des Titus Livius, Niccolò Machiavelli – Mandragola bis hin zu Belfagor der Erzteufel – alles Werke, die inzwischen auch vielfach übersetzt wurden.
Es ist daher unmöglich, die Präsenz Machiavellis und insbesondere von Der Fürst in anderen Kulturen und Sprachen mit einem einzigen zusammenfassenden Überblick zu erfassen. Insbesondere auch, da es sich zudem um eine Geschichte handelt, die unmittelbar nach dem Tod des Florentiners ihren Ausgang nahm und tatsächlich – zwischen Ablehnung und Vereinnahmung – mit der Entwicklung des politischen Selbstbewusstseins des Westens zusammenfiel. Auch wenn wir uns nur auf die rein zeitgenössische Epoche beschränken wollten, muss gesagt werden, dass die Feierlichkeiten zu seinem fünfhundertsten Geburtstag im Jahr 1969 den machiavellistischen Studien eine solche Dynamik verliehen haben, dass es keine moderne Sprache mehr gibt, die nicht zumindest die Übersetzung von Der Fürst vorzuweisen hätte; und alle weit verbreiteten Sprachen verfügen mittlerweile über Übersetzungen der vollständigen Werke Machiavellis, die in modernen Sammlungen übersetzt und Fachleuten anvertraut wurden, aus denen dann wiederum populäre Ausgaben entstehen, die sich an das breiteste Laienpublikum richten. Dies gilt für Japanisch, Koreanisch, Mandarin, um nur ein Beispiel für Sprachen zu nennen, die Hunderte Millionen Leser repräsentieren.
Da wir uns, gemäß der naturgegebenen Einschränkungen derer, die dieses Profil erstellen, darauf beschränken wollen, die wichtigsten Kultursprachen Westeuropas zu thematisieren, können wir feststellen, dass es in Frankreich mindestens ein Dutzend Übersetzungen von Der Fürst im Buchhandel gibt, die alle ziemlich neu und mehr oder weniger gut begleitet von dem entsprechenden kritischen und historischen Apparat sind. Um uns auf die innovativsten und anspruchsvollsten davon zu beschränken, heben wir das im Jahr 2000 von den Presses Universitaires de France herausgegebene Werk hervor, das von zwei der größten Spezialisten des Florentiners, Jean-Louis Fournel und Claude Zancarini, herausgegeben wurde: Es handelt sich um einen Band von 642 Seiten und das bei einen Text, der nur ein paar Dutzend umfasst, da der historische, sprachliche und theoretische Kommentar sehr umfangreich ist. Diese monumentale Ausgabe bildete dann die Grundlage für eine handlichere Version, die 2014 im selben Verlag erschien und mehrmals nachgedruckt wurde. Unter den vielen Übersetzungen kleinerer Texte von Machiavelli (aber wie kann man Niccolò Machiavelli – Mandragola oder Über die Kriegskunst tatsächlich als „kleiner“ bezeichnen?) können wir aufgrund ihrer wissenschaftlichen Genauigkeit und sprachlichen Konformität die Abhandlungen über die ersten zehn Bücher des Titus Livius hervorheben, veröffentlicht bei Gallimard im Jahr 2004, herausgegeben von Alessandro Fontana und Xavier Tabet.
Der Fall der englischsprachigen Länder wird durch ein im Vergleich zu anderen Sprach- und Kulturbereichen – einschließlich des Italienischen – enormes Interesse an Machiavelli basierend auf einer Vielzahl von Studien, Konferenzen und Übersetzungen, die dem Florentiner gewidmet wurden, äußerst komplex. Eine Zeit lang erschien in den Vereinigten Staaten sogar eine wissenschaftliche Zeitschrift, die ausschließlich Machiavelli gewidmet war. Kurz gesagt, es wäre die Aufgabe einer weder einfachen noch kurzen Monographie die Ergebnisse dieses außergewöhnlichen Interesses und damit die Zahl der Übersetzungen, insbesondere von Der Fürst aufzuschlüsseln, die teils populärer Natur sind, teils jedoch für den Akademiker und dann wieder auf ein Mittelding zwischen den beiden Formaten abzielen; oder aber ganz andere Formen der Übersetzungsverbreitung vorsehen (z. B. ein Teil des Textes von Der Fürst in Comics oder Videospielen). Diesbezüglich muss jedoch angemerkt werden, dass die bedeutendsten Übersetzungen nicht von professionellen Übersetzern stammen, sondern (wie es mittlerweile unvermeidbar ist) von authentischen Spezialisten der Renaissance und insbesondere für Machiavelli. In chronologischer Reihenfolge möchten wir zunächst auf das Werk eines großen Experten der Geschichte des politischen Denkens und für Machiavelli wie Quentin Skinner (Cambridge University Press, 1988) hinweisen. Ein weiterer bekannter Experte – jedoch Amerikaner und nicht wie Skinner Engländer –, Harvey C. Mansfield, gab seine Übersetzung von Der Fürst 1998 bei der University of Chicago Press heraus und hatte bereits 1996 in Zusammenarbeit mit Nathan Tarcov die Übersetzung der Abhandlungen veröffentlicht. Einer der bedeutendsten Machiavelli-Forscher der Gegenwart, der Amerikaner William J. Connell, übersetzte Der Fürst und fügte verschiedene zur Kontextualisierung nützliche Dokumente bei (Boston, Bedford, 2016). Weit verbreitet und mehrmals nachgedruckt wurde außerdem die Übersetzung von Peter Bondanella, die von einer Einleitung von Maurizio Viroli begleitet wird und von Oxford University Press, 2008 veröffentlicht wurde. Auch die Übersetzung von James B. Atkinson, Indianapolis, Hacket Pub., 2008, ist aufgrund der Fülle an Notizen und der gelungenen sprachlichen Wiedergabe hervorzuheben. Dieser hatte beim gleichen Verlag bereits im Vorjahr in Zammenarbeit mit David Sices eine sehr hochwertige Übersetzung der gesamten Theaterstücke Machiavellis herausgegeben, bei der der italienische Text parallel positioniert war.
Was die spanischsprachige Welt betrifft, so ist die Übersetzung von Miguel Ángel Granada (Maquiavelo, El príncipe, Madrid, Alianza) nach wie vor sehr verbreitet. Konkurrenz erfährt diese jedoch seit einigen Jahren durch die Übersetzung von Nicolás Maquiavelo, El príncipe, edición bilingüe con texto italiano de G. Inglese, estudio preliminar, traducción y notas de Helena Puigdoménech, Madrid, Tecnos, 2011. Die beiden am weitesten verbreiteten Übersetzungen für portugiesischsprachige Leser stammen beide aus Brasilien: Maquiavel, O Príncipe, ediçao bilíngue, traduçao de José Antônio Martins, São Paulo, Hedra, 2007 (20202); und die andere, ebenfalls mit einem nebenstehenden italienischen Text, herausgegeben von Diogo Pires Aurélio, São Paulo, ed. 34, 2017.
Wenn wir sprachliche Bereiche, in denen der Autor keine Fachkenntnisse hat, beiseite lassen (aber nicht ohne darauf hingewiesen zu haben, dass das schöne Buch von Mark A. Youssim, La fortuna di Machiavelli in Russia (Macchiavellis Ruhm in Russland), Rom, Aracne, 2019, viele Informationen über die neueren und weniger aktuellen Übersetzungen Machiavellis ins Russische, darunter auch seine eigenen, vermittelt), ist auch das jüngste und sehr fruchtbare Interesse an Machiavelli im deutschen Sprachraum begrüßenswert. Die 2015 in Köln unter der Leitung von Dirk Hoeges herausgegebene Machiavelli Edition zeichnet sich durch ihren symbolischen Wert sowie durch die kritische und philologische Qualität aus. Studien und Übersetzungen führten bisher insgesamt zur Veröffentlichung von sechs Bänden: unter den Übersetzungen gab es eine, im Jahr 2015, das Gedicht Der Esel; 2016 alle Gedichte des Florentiners; und 2018 die einzige kleine Schrift über Cesare Borgia. Die Sammlung verfolgt das Ziel, nach und nach die gesamte Spanne der machiavellistischen Produktion abzudecken. Aber auch andere ähnliche Initiativen – also kommentierte Übersetzungen des gesamten Machiavellis ins Deutsche – werden an anderer Stelle angekündigt, etwa die einer an der Universität Freiburg im Breisgau tätigen Forschungsgruppe, die in Kürze anlässlich des fünfhundertjährigen Jubiläums der ersten Ausgabe (1521), eine neue kommentierte Übersetzung von Über die Kriegskunst veröffentlichen wird. Erwähnenswert sind auch die 2016 erschienene vollständige Übersetzung von Geschichte von Florenz für den Verlag Boer, herausgegeben von Johann Ziegler und Franz N. Baur, und die aktuelle Übersetzung (2019) von Der Fürst, herausgegeben von Rudolph Enno beim Verlag Meiner in Hamburg. Es fehlt jedoch eine aktualisierte Übersetzung der Abhandlungen: Die von Rudolf Zorn weiterhin bei Kröner aus Stuttgart nachgedruckte Übersetzung stammt aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und ist in mehrfacher Hinsicht etwas veraltet.