Italienische Literatur auf Katalanisch. Eine uralte Geschichte, die weit reicht
Autor: Lucio Izzo, direttore dell’Istituto italiano di Cultura di Barcellona
Mti einer uralten Geschichte und einer bedeutenden literarischen Wertschätzung dank der neuen demokratischen spanischen Verfassung ist das Katalanische seit 1978 zusammen mit dem Spanischen wieder Amtssprache, und zwar nicht nur in Katalonien, sondern auch in der Comunidad Valenciana und auf den Balearen, während es im Osten Aragoniens zwar nicht dem Spanischen gleichgestellt ist, aber eine Anerkennung in den Verbreitungsgebieten erhalten hat, die als Franja de Ponent bekannt sind. Außerhalb Spaniens ist das Katalanische die einzige Amtssprache im Fürstentum Andorra und verbreitet in Frankreich im Roussillon und in Italien in Alghero auf Sardinien. 2005 wurde Katalanisch auch als eine der Amtssprachen der Europäischen Union anerkannt. 2022 wurde die Zahl der Katalanischsprechenden in den genannten Gebieten auf 9,2 Millionen Menschen geschätzt, die allerdings fast alle zweisprachig sind.
Barcelona ist zusammen mit Madrid das wichtigste Verlagszentrum in Spanien mit einem großen Zielmarkt auch in Lateinamerika. Die meisten Veröffentlichungen sind natürlich auf Spanisch, aber rund 10 % der Bücher insgesamt erscheinen auf Katalanisch.
Der Verlagsmarkt in katalanischer Sprache lässt zwar den lokalen Autor/-innen den Vorrang, verzeichnet aber auch eine steigende Nachfrage nach Übersetzungen aus anderen Sprachen. Darunter nehmen literarische Texte die Vorrangstellung ein (ca. 25 %), gefolgt von Sachbüchern, gegliedert in Sozialwissenschaften (ca. 8,5 %) und angewandte Wissenschaften (ca. 7 %), und Kunstbüchern (ca. 5 %). In der Wahl der Texte für die Übersetzung geltenden also diese Tendenzen, kombiniert mit literarischen Phänomenen und aktuellen Bräuchen, die die Vorlieben des Publikums und die Ausrichtung der Verlage entscheidend beeinflussen.
Zu berücksichtigen ist außerdem ein sprachlicher Faktor: Das katalanischsprachige Publikum nimmt das Italienische als „nahe“ Sprache wahr, denn Katalanisch und Italienisch haben nicht nur die syntaktische Struktur gemeinsam, sondern auch 33 % des alltäglichen Grundwortschatzes, während Spanisch und Katalanisch nur 25 % des Wortschatzes teilen. „Näher“ als das Italienische sind nur Okzitanisch mit sogar 75 % des Grundwortschatzes und Französisch mit 41 %. Wenn man den literarischen und Fachwortschatz betrachtet, ist die Verwandtschaft natürlich noch enger und reicht an 80 % heran. Diese wahrgenommene Nähe ist sicher ein Element, das das gebildetere Publikum dazu bringt, italienische Texte im Original zu lesen, anstatt auf die Übersetzung zurückzugreifen.
Die Geschichte der Übersetzungen aus dem Italienischen ins Katalanische verläuft parallel zur Durchsetzung und Verbreitung der romanischen Sprachen. Exemplarisch sei daran erinnert, dass die weltweit erste Übersetzung der Göttlichen Komödie in Versen in eine Vernakularsprache 1429 ins Katalanische von Andreu Febrer entstand; erst im Vorjahr hatte Enrique de Villena die Komödie ins Kastilische übersetzt, aber in Prosa. Noch davor spielte die höfische Dichtung aus dem okzitanischen Gebiet eine bedeutende Rolle: Sie war im westlichen Mittelmeerraum stark verbreitet, das damals zum großen Teil vom Königreich Aragonien beherrscht wurde, in dem Katalanisch die Amtssprache war. Unter den italienischen Autoren beeinflusste Boccaccio mehr als alle anderen (auch mehr als Dante und Petrarca) die mittelalterliche katalanische Literatur. Dies beweisen nicht nur die Verbreitung zahlreicher Manuskripte seiner Werke im 15. Jahrhundert in Katalonien, sondern auch die Übersetzungen aus der damaligen Zeit. Die Übersetzung der italienischen Klassiker wurde im Laufe der Jahrhunderte reichlich und in hervorragender Qualität fortgesetzt. Bedeutende Höhepunkte waren die Renaissance und das 18. Jahrhundert. Im 20. Jahrhundert stellte angesichts einer Niedergangszeit in Spanien die Durchsetzung des geeinten Italiens ein neues Element der kulturellen Anziehungskraft für die Spanier und insbesondere die Katalanen dar. Sie blickten vor allem nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wieder auf unser Land als Referenz und Modell für Demokratie und wirtschaftliche und soziale Entwicklung. Dieses Interesse blieb auch nach der Rückkehr zur Demokratie lebendig, und viele Hauptvertreter der kulturellen spanischen Wiedergeburt ab Ende der 70er Jahre erinnern daran, dass die italienische Kultur für sie Bildungsvermittler und Inspirationsquelle war.
In den letzten fünfzig Jahren und bis 2007 wurden 978 Titel von 439 verschiedenen Autor/-innen aus dem Italienischen ins Standard-Katalanische sowie 2 ins valencianische Katalanisch (Quelle: Index Translationum und Biblioteca de Catalunya) übersetzt. Autorinnen und Autoren mit über zehn Titeln sind: Gianni Rodari (75 Titel), „Geronimo Stilton“ (38), Italo Calvino (28), Umberto Eco (23), Andrea Camilleri (20), Carlo Collodi (20), Antonio Tabucchi (17), Susanna Tamaro (16), Gaia Volpicelli (14), Leonardo Sciascia (13), Alessandro Baricco (12), Luigi Pirandello (12); Francesco Alberoni (11), Primo Levi (11), Dante Alighieri (10), Cesare Pavese (10), Francesco Tonucci (10).
Seit 2008 ist der Mittelwert der italienischen Bücher stark angestiegen und seitdem werden jährlich rund zweihundert Bücher übersetzt. Darunter sind Romane von Andrea Camilleri und Elena Ferrante zu nennen, moderne Klassiker wie Natalia Ginzburg und Dario Fo, aber auch die Reportagen von Tiziano Terzani, Gedichte von Alba Donati und Salvatore Toma, Sachbücher von Adriana Cavarero und Roberto Esposito sowie die jüngsten Bucherfolge neuer Autoren, darunter die soeben erschienenen Romane von Daniele Mencarelli, die auch in Spanien derzeit in einer Filmbearbeitung von Netflix angeboten werden.
In diesem Zusammenhang stellt das Förderprogramm für die Übersetzung italienischer Bücher des MAECI ein tragendes, wesentliches Element für alle Verlage dar, die sich für die Übersetzung ins Katalanische einsetzen, vor allem um die Übersetzung von Werken von jungen Autor/-innen und in besonderen Fachbereichen zu unterstützen.
In diesem Sinne äußern sich drei der aktivsten Verlage: Pont del petroli, La segona periferia und Periscopi. Sie sehen übereinstimmend das Italienische an dritter Stelle nach Englisch und Französisch bei den ins Katalanische übersetzten Werken, und zwar mit einem sehr hohen Wachstumspotenzial. Ihrer Ansicht nach gibt es inzwischen eine große Leserschaft, die ausschließlich auf Katalanisch lesen will, begleitet von einer beträchtlichen Zahl an brillanten Übersetzerinnen und Übersetzern aus unserer Sprache: Pau Vidal und Anna Casassas, Mercé Urbach und Francesc Miravitlles sind die bekanntesten und erfolgreichsten, aber auch junge Übersetzerinnen wie Nuria Saurina und Alba Dedeu tragen zur qualitativen und quantitativen Entwicklung der Verbreitung unserer Werke bei.
Für die interviewten Verlegerinnen und Verleger hat das von Italien angebotene Förderprogramm für Übersetzungen das Verdienst, eine hochwertige Auswahl an Titeln und einen breiten Fächer an Werken zu fördern – von Belletristik zur Philosophie, von Lyrik zur Wissenschaft –, so dass sie nicht den ausschließlich kommerziellen Dynamiken unterliegen müssen, die den Verlagsmarkt beherrschen. Außerdem, so die Verlage, hat das italienische System im Unterschied zu denen in anderen europäischen Ländern den Vorzug, dass die Übersetzungsarbeit besonders prämiert wird (was auch entscheidend ist für die Wahl der Bücher zur Veröffentlichung), denn von den Übersetzern wird angesichts der großen Präsenz von Dialekten und regionalen Mundarten häufig eine zusätzliche Kompetenz im Vergleich zu den Standards bei anderen Sprachen verlangt.