In anderen Sprachen
8 Januar 2024

Andrea Zanzotto in anderen Sprachen

Autor: Giorgia Bongiorno and Laura Toppan, Université de Lorraine, Nancy

Andrea Zanzotto in anderen Sprachen

Andrea Zanzotto (Pieve di Soligo 1921 – Conegliano 2011) wurde erst geraume Zeit nach der Veröffentlichung der italienischen Originalausgaben ausgehend mit der 1951 von Mondadori veröffentlichten Gedichtsammlung Hinter der Landschaft erstmals im Ausland veröffentlicht und in andere Sprachen übersetzt. Diese große Zeitspanne betrifft selbstverständlich die Übersetzung vollständiger Sammlungen des Dichters aus Pieve di Soligo in andere Sprachen, auf die wir uns hier konzentrieren werden, wobei wir zwangsläufig die Verbreitung von Zanzottos Gedichten in Zeitschriften außer Acht lassen, deren Nachvollziehbarkeit schwieriger ist. Einfacher gestaltet sich dagegen die Aufzählung der Anthologien, die darüber hinaus das vorherrschende Vehikel im internationalen Erfolg Zanzottos zu sein scheinen, dessen besonders dichte und nicht auf den ersten Blick eingängige Poesie sich dank sorgfältiger Auswahl der Werke in vielen Ländern verbreitete

Um einem chronologischen Faden zu folgen, der sich dann nach geografischen Gebieten verzweigt, finden wir vermutlich in Skandinavien den ersten Zanzotto in einer anderen Sprache. Tatsächlich erschienen zwei Gedichte des Dichters – eins aus Vokativ (1957) und das andere aus IX Eklogen (1962) in der schwedischen Anthologie Elemantära tankar, übersetzt von Estrid Tenggren, hrsg. von Bo Cavefors 1968, siebzehn Jahre nach dem Erscheinen des ersten italienischen Bandes des Dichters, und zwar im selben Jahr, in dem seine bekannteste Sammlung Pracht in Italien veröffentlicht wurde. Dennoch mussten sich seine Leser noch bis 2012 gedulden, um Zanzotto erneut auf Schwedisch zu lesen, das Jahr, in dem die vollständige Übersetzung von Signale Senhal von Gustav Sjöberg erschien (Blickarna händelserna och senhal, Stockholm, Italienska KulturInstitutet, Sammlung „I Libri di CARTADITALIA“, 2012).

Die erste Übersetzung einer großen Auswahl von Zanzottos Gedichten erschien 1975 in englischer Sprache von Ruth Feldamn (Selected Poetry of Andrea Zanzotto, herausgegeben und übersetzt von Ruth Feldamn – Brian Swann, Princeton University Press, Princeton (New Jersey), 1975, mit einer Neuauflage 2016) und enthält eine umfangreiche Auswahl aus Hinter der Landschaft (1951), Vokativ (1957), IX Eklogen (1962) und aus Pracht (1968). Anschließend folgten weitere Anthologien in englischer Sprache: Erneut veröffentlichen Ruth Feldamn und der auf den Dichter John Welle spezialisierte Wissenschaftler eine Auswahl von Gedichten aus vorrangig folgenden Werken: Filò (Spinnfaden/Tratschen)(1976) und Idioma (Idiom) (1986) (Peasant’s Wake for Fellini’s „Casanova“ and Other Poems, Edited and Translated by John P. Welle and Ruth Feldman, Drawings by Federico Fellini and Augusto Murer, University of Illinois Press, Urbana and Chicago, 1997); und einige Jahre zuvor wurde in Kanada eine von Antony Barnett übersetzte Gedichtsammlung aus Pracht und Pasque (Ostern) (Poems by Andrea Zanzotto, Translated from the Italian by Antony Barnett, A-B. Lewes (Kanada), 1993) veröffentlicht. Eine weitere anthologische Übersetzung ist die von Patrick Barron und anderen im Jahr 2007 herausgegebene (Selected Poetry and Prose of Andrea Zanzotto, edited and translated by Patrick Barron und andere, University of Chicago Press, Chicago (Illinois), 2007). Wer Fosfeni (Phosphene) (1983) jedoch vollständig auf Englisch lesen wollte, musste sich noch bis 2010 gedulden (Fosfeni (Phosphene). Poems, translated by Pasquale Verdicchio, Montreal, Guernica, 2010).

Die anthologische Form scheint auch im Spanischen am häufigsten vorzukommen, einer Sprache, in der man im Vergleich zu anderen Sprachen relativ wenige Übersetzungen der Werke Zanzottos findet: 1996 wurde in Südamerika eine Sammlung ausgewählter Gedichte veröffentlicht (Del Paisaje al Idioma. Antología poética, mit einem „Selbstporträt“ des Autors, seleccion y prólogo de Ernesto Hernandéz Busto, Universídad Iberoamericana – Artes de México Colectión „Poesía y Poética “), Colonia Lomas de Santa Fe – Colonia Rom 1996); und in jüngerer Zeit wurde in Spanien eine poetische Anthologie auf Kastilisch veröffentlicht (La muerta tibiez de los bosques. Poesía selecta, Traducción de Mara Donat y Giampiero Bucci), sowie eine Auswahl an Prosa (El (necesario) mentir. Prosa selecta, Traducción de Eduardo Montagner Anguiano y Giampiero Bucci), beide im Madrider Verlag Vaso Roto Esenciales, im Jahr 2011.

Oft sind die Übersetzer selbst auf den Dichter spezialisierte Gelehrte oder werden von Lituraturwissenschaftlern mit Fachgebiet Zanzotto unterstützt – fast so, als ob die Übersetzung von Zanzottos Gedichten, Trägerin eines so reichen literarischen Erbes, naturgegeben mit ihrer kritischen Überlieferung verbunden wäre. Zu den englischen oder spanischen Passeurs, die auch Zanzotto-Gelehrte sind, gesellte sich die estnische Übersetzerin Maarja Kangro mit einer recht neuen Anthologie (Hääl ja tema vari. La voce e la sua ombra (Die Stimme und ihr Schatten), Itaalia keelest tõlkinud Maarja Kangro. Eesti Keele Sihtasutus, Tallinn 2005).

Die meisten vollständigen Sammlungen von Zanzotto gibt es aktuell auf Deutsch und Französisch – zwei Sprachen, die einen besonders hohen Stellenwert für den Dichter haben. Für Zanzotto ist Deutsch die Sprache zweier großer Dichter, die für ihn zwei wahre Polarsterne repräsentierten: Friedrich Hölderlin und Paul Celan. Französisch war dagegen die dem Dichter vertrauteste Sprache, die aufgrund der Auswanderungserfahrungen seines Vaters und des Dichters selbst in die französischen Schweiz, in der Familie gesprochen wurde, aber auch diejenige, aus der Zanzotto für die Verlage Mondadori und Rizzoli übersetzte, für die er als sporadischer Berater tätig war. Außerdem war Französisch die Sprache jener Kultur, der Zanzotto sicherlich die größte Bedeutung schenkte und die ihm am nächsten stand. Dies gilt sowohl im Hinblick auf die ersten Inspirationen symbolistischen und surrealistischen Ursprungs, als auch bezüglich der massiven Anregungen, die sich aus den philosophischen, historischen und sogar sprachlichen Veränderungen ergaben, die den französischen Kontext der sechziger und siebziger Jahre durchzogen und Auswirkungen auf das ausgehend von Pracht (1968) experimentellere Schaffen des Dichters hatten.

Was Deutschland anbetrifft, so können mehrere anthologische Übersetzungen aus verschiedenen Epochen aufgezählt werden: die Auswahl aus IX Eklogen, veröffentlicht in der Zeitschrift „Akzente“: „Aus den IX Eklogen’” übersetzt von Helga Böhmer in Höllerer, Walter, Bender, Hans (Hrsg.), 1965 Akzente. Zeitschrift für Dichtung. Heft 1/Februar 1965, München: Hanser, S. 136–137 oder eine andere Auswahl aus derselben Sammlung, übersetzt von Theresia Prammer: Andrea Zanzotto: Nur unerheblich oberhalb des Bodens. Auswahl aus dem Band IX Eklogen (1962), in: Kolik 37/2007. Prammer hat ebenfalls in jüngerer Zeit eine Auswahl aus Conglomerati (Konglomerate) (2009) übersetzt, dem letzten Buch von Zanzotto (Ein halluzinatorisches Gemisch. Auswahl aus dem Band Conglomerati (2010), in: Robert Huez und Christine Vescoli (Hrsg.), Verortung. Texte und Positionen zu dreißig Jahre Lana und Literatur Edition Per Procura, Wien/Lana 2010). An dieser Stelle soll auf zwei weitere Anthologien hingewiesen werden: eine mit Gedichten ausgehend von Hinter der Landschaft zusammen mit der Ekloge V aus IX Eklogen (Lorna, Kleinod der Hügel. „Lorna, Kleinod der Hügel“, übersetzt und herausgegeben von Helga Böhmer und Gio Batta Bucciol, mit Zeichnungen von Hans Joachim Madaus, Narr („Italienische Bibliothek, 4“), Tübingen 1990); und eine Auswahl von Texten aus der Zanzotto-Trilogie, bestehend aus den drei Sammlungen aus den 1980er Jahren: Il Galateo in Bosco (Der Galateo im Wald) (1978) Phosphene (1983) und Idioma (Idiom) (1986). Die letzte Übersetzung stammt aus dem Jahr 1987 (Lichtbrechung. Ausgewählte Gedichte (Donatella Capaldi, Peter Waterhouse, Ludwug Paulmichl), Droschl Verlag, Wien-Graz) ist das Werk einer Gruppe von Übersetzern, die ab den 2000er Jahren ein Experiment von größtem Interesse ins Leben riefen, das Projekt Planet Beltà. Es handelt sich um ein einzigartiges Beispiel in dem von uns skizzierten Panorama, fokussiert auf das Potenzial einer kollektiven Übersetzung, um Zanzottos explodierte und prismatische Seite aufzuzeigen. Planet Beltà umfasst vier Bänder, die von Engeler herausgegeben wurden (http://www.engeler.de/), beginnend mit der Sammlung, die dem Projekt seinen Namen gibt (2001: (2001: Andrea Zanzotto, Pracht/La Beltà, Gedichte Italienisch Deutsch, übersetzt von Donatella Capaldi, Maria Fehringer, Ludwig Paulmichl und Peter Waterhouse. Urs Engeler (Basel – Weil am Rhein). Folio Verlag (Wien-Bozen/Bozen); gefolgt von Gli Sguardi i Fatti e Senhal im Jahr 2002 (Signale Senhal) und dann von der Übersetzung von Sull’Altopiano (Auf der Hochebene und andere Orte) im Jahr 2004, abschließend von einem Band, der die kritischen Essays von Meridiano sammelt (Die Welt ist eine andere. Poetik, übersetzt von Karin Fleischander). Eine Anthologie des ersten und letzten Werks von Zanzotto, die außerhalb des Projekts von den Übersetzern persönlich zum Anlass des neunzigsten Geburtstag des Dichters gestaltet wurde (Andrea Zanzotto. Dorfspiel. Aus dem Italienischen von Donatella Capaldi, Maria Fehringer, Ludwig Paulmichl, Peter Waterhouse. Mit Beiträgen von Donatella Capaldi und Peter Waterhouse, Engeler, Folio-Literatur Lana,  Wien), und dann herausgegeben in Memoriam im Jahr 2014. Eine vollständige Übersetzung von Il Galateo in Bosco (Der Galateo im Wald) ist außerdem im Rahmen des Projekts Planet Beltà in Arbeit.

Wenn wir uns nun Frankreich zuwenden, finden wir eine beträchtliche Anzahl von Zanzottos Texten in dieser Sprache. Ausgangspunkt hierfür war 1978 die Veröffentlichung in der Zeitschrift Po&sie der Simultanübersetzung von fünf Sonetten im Stile des Petrarkismus von Gérard Genot aus Il Galateo in Bosco (Der Galateo im Wald), Ipersonetto – und somit das gleiche Jahr, in dem die Sammlung in Italien veröffentlicht wurde. Wir mussten jedoch bis 1986 warten, um die vollständige Übersetzung der Sammlung ins Französische (Le Galatée au Bois, traduit de l’italien par Philippe Di Meo, Arcane 17, „L’Hippogrife“, Nantes, 1986) zu lesen, die aus der Hand eines Mannes stammte, der sich als der eifrigste Übersetzer von Zanzotto sowie Fürsprecher seiner Verbreitung in Frankreich erweisen sollte, Philippe Di Meo. Ungefähr zur gleichen Zeit begannen französische Leser, eine große Auswahl zeitgenössischer italienischer Lyrik in Übersetzungen zu lesen. Tatsächlich machte sich Zanzotto in einem für die italienische Poesie in Frankreich besonders glücklichen Moment auf den Weg über die Alpen. Dieser war unter anderem durch die Entstehung der 1987 von Philippe Renard und Bernard Simeone gegründeten Reihe „Terra d’altri“ für den Verlag Verdier gekennzeichnet, der heute von Martin Rueff, einem weiteren Übersetzer von Zanzotto geleitet wird (siehe die beiden Nummern 109 und 110 von Po&sie, “1975–2004. 30 ans de poésie italienne“, Paris, Belin, 2004; aber auch in anderen Ausgaben der Zeitschrift erschienen übersetzte Gedichte von Zanzotto und einige Jahre später übersetzte und präsentierte Rueff die berühmte Prosa Premesse all’abitazione (Grundlagen des Wohnraums): Po&sie, 2007/2 (Nr. 120), Prémisses à l’habitation, S. 45–60). In der Reihe „Terra d’altri“ (Land der Anderen) werden die bedeutendsten Dichter der dritten Generation erstmals und erneut vorgestellt, denen nach und nach eine Auswahlliste zeitgenössischer Dichter folgt, die auch von anderen französischen Verlagen übersetzt und veröffentlicht wurden. Tatsächlich schossen in den 1990er-Jahren in Frankreich Übersetzungen vieler der wichtigsten Sammlungen italienischer Literatur wie Pilze aus dem Boden, während diese heute immer mehr auf eine ausgesprochen zeitgenössische Produktion ausgerichtet ist. Viele Übersetzungen Zanzottos von Di Meo entstanden daher in den 1990er und 2000er Jahren, seien es poetische Anthologien (Gedichte aus Vokativ, aus Idioma (Idiom) und unveröffentlichte Kurzgedichte, die in abgeänderten Versionen in Sovrimpressioni, Revue franco-italienne „Vocativo“, Arcane 17, Nantes, 1986; Du Paysage à l’idiome einfließen würden. Anthologie poétique 1951-1986, traduction de l’italien et présentation par Philippe Di Meo, Maurice Nadeau – Unesco, 1994; Vers, dans le paysage, Creil, Dumerchez, 1994) oder eine Prosaauswahl (Au-delà de la brûlante chaleur, récits et proses traduits de l’italien et postfacés par Philippe Di Meo, Paris, M. Nadeau, 1997); kritische Texte (Essais critiques, Paris, José Corti, 2006); oder vollständige Sammlungen, die Di Meo im Laufe der Zeit übersetzte (Filò/La Veillée pour le Casanova de Fellini, avec une lettre et quatre dessins de Federico Fellini, éditions Comp’Act, Chambéry, 1994; La Beauté/La Beltà, Paris, M. Nadeau, 2000; Météo, trad. de l’italien et du vénitien par Philippe Di Meo, postface de Stefano Dal Bianco, Paris, M. Nadeau, 2002; Idiome, Paris, José Corti, 2006; Phosphènes, Paris, José Corti, 2010; Vocatif suivi de Surimpressions, Paris Éditions Maurice Nadeau – Les Lettres Nouvelles, 2016).

Di Meos langjährige Treue wird durch weitere, spezifischere Beiträge ergänzt, wie etwa die Übersetzung einzelner Gedichte auf Websites, die der italienischen Poesie gewidmet sind (Ellébore: ou quoi donc?, traduit de l’italien par Jean-Charles Vegliante et le groupe CIRCE,  Sorbonne Nouvelle – Paris3 in www.uneautrepoesieitalienne.blogspot.fr) oder die der zwei wesentlichen Sammlungen wie Pasque (Ostern) (1973) und Gli Sguardi i Fatti e Senhal (Signale Senhal) (1969) durch den Dichter Jacques Demarcq, veröffentlicht in dem aufstrebenden Verlagshaus Nous, das sich sehr für die italienische Literatur und Dichtung in Frankreich einsetzte (Les Pâques, traduit de l’italien par Adriana Pilia et Jacques Demarcq, préfacé par Christian Prigent, Caen, Nous, 1999; Les Pâques, précédé de Les Regards les faits et senhal, traduction de l’italien par Adriana Pilia et Jacques Demarcq, préface de Christian Prigent, Caen, Nous, 2004).

 

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