Interview mit Artur Burszta, Direktor von TranPort Literacki (Literary Transport Festival)
Autor: Paolo Grossi
Das polnische Festival TranPort Literacki (Literary Transport Festival) ist eins der wichtigsten Literaturfestivals in Europa. Sein Direktor, Artur Burszta, illustriert den Leserinnen und Lesern von newitalianbooks die Besonderheiten dieses Festivals und die kommenden Initiativen.
Wann ist das Festival TransPort Literacki entstanden und wie ist es aufgebaut?
TransPort Literacki ist das älteste Literaturfestival in Polen. Es fand zum ersten Mal 1996 statt und war von Anfang an ein internationales Event. Strukturell stützt sich das Festivalprogramm auf die Bücher, die vom Verlag Biuro Literackie im Laufe des Jahres veröffentlicht wurden (dieser Verlag ist Organisator des Festivals). Die Teilnahme von jedem Autor und jeder Autorin ist mit einem Verlagsprojekt verbunden. Es handelt sich nicht nur um Übersetzungen von bereits veröffentlichten Werken, sondern auch um Sonderprojekte, die nur für uns und für das Festival vorbereitet werden, zu denen wir unsere Gäste ermutigen und einladen. So umfasst das Buch von Laurie Anderson zum Beispiel zahlreiche Zeichnungen von ihr; sie selbst hat das Papier ausgewählt und aktiv am gesamten editorischen Prozess teilgenommen. Die Teilnahme von Herta Müller war mit dem Erscheinen ihrer „Collages“ in Buchform verknüpft. Eine andere Besonderheit des Festivals ist das Format der Veranstaltungen und der Buchvorstellungen. Die Lesungen (immer in der Originalsprache, die Übersetzungen laufen auf Bildschirmen mit) werden von Live-Musik begleitet, die eigens dafür von bedeutenden Künstler/-innen geschrieben und aufgeführt wird. Für jede Veranstaltung werden auch visuelle und Videomaterialien vorbereitet. So ähneln die Events eher Theateraufführungen als den typischen statischen Literaturveranstaltungen. In den ersten Jahren haben wir uns auf Poesie konzentriert. Die polnische Literatur ist in aller Welt für ihre Dichtung berühmt. Heute interessieren wir uns besonders für genreübergreifende Arten des Schreibens. Wir arbeiten viel mit jungen Autorinnen und Autoren zusammen und jedes Event wird von Workshops begleitet, in denen Dichter/-innen, Prosaautor/-innen, Übersetzer/-innen und angehende Kritiker/-innen an ihren Büchern arbeiten.
Wo und wann fand das Festival zuletzt statt?
Das Festival, das in zwei Jahren das 30. Jubiläum feiert, findet jetzt am Meer in der Stadt Kolberg statt; früher waren wir in den Bergen, in Breslau und in Liegnitz, das als „Klein Moskau“ bezeichnet wird, weil über viele Jahre dort sowjetische Truppen mit über 40.000 Soldaten stationiert waren. Früher umfasste das Festival auch das Europäische literarische Forum, das Finale eines großen internationalen Projekts: New Voices from Europe. Der Umzug ans Meer war begleitet von der Einführung des „Neuen Kanons der europäischen Literatur“, der 21 Bücher in 21 europäischen Sprachen umfasst. Es gab auch Special Events mit Autoren und Autorinnen aus der Ukraine. Seit 2005 ist Literatur aus diesem Land bei unserem Festival vertreten. In den letzten Jahren fand das Festival wieder im September statt. Das erste Mal an der Küste bildete den Abschluss der Sommersaison. Auch in diesem Jahr findet das Festival im September statt, vom 21. bis 24. Wir werden mit der Präsentation von Büchern und Namen des „Neuen Kanons der europäischen Literatur“ weitermachen. Special Guest ist in diesem Jahr die Koreanerin Kim Hyesoon.
Welche neuen Initiativen sind für die Zukunft geplant?
Für uns ist es sehr wichtig, einen Raum für die Integration der europäischen Verlags-Community für Qualitätsliteratur zu schaffen. Wir haben schon am Aufbau der Plattform Literary Europe Live mitgearbeitet, die das Festival und europäische Institutionen zusammenbrachte. Wir träumen von einer ähnlichen Initiative innerhalb der Verlage. Wir bereiten auch ein neues Übersetzungsprojekt vor. Wir wollen eine Liste von in diesem Jahrzehnt erschienenen Büchern aufstellen, die versuchen, unsere Zeit „hier und jetzt“ zu erfassen. Wir haben Institutionen aus den meisten europäischen Ländern aufgefordert, an diesem Projekt mitzuarbeiten. Eine solche Initiative muss unserer Ansicht nach eine kollektive Bemühung sein.
Ist die Beteiligung von italienischen Autor/-innen geplant? Sind ihre Namen schon bekannt?
In diesem Jahr haben wir Matteo Bussola eingeladen, dessen Buch Viola e il Blu zum „Neuen Kanon der europäischen Literatur“ gehört; es ist eins der drei Kinder- und Jugendbücher im Programm. Früher haben wir uns vor allem auf die italienischen Klassiker konzentriert. Ein bedeutender Moment war die Vorstellung der Werke von Tommaso Landolfi. Ich glaube, dass die wichtigsten Ereignisse in Verbindung mit der italienischen Literatur auf unserem Festival noch kommen müssen.
Wie beurteilen Sie als Verleger und Direktor eines Literaturfestivals die aktuelle Situation des italienischen Buchs in Polen? Welche zeitgenössischen italienischen Namen sind bei den polnischen Lesern und Leserinnen am bekanntesten?
Italo Calvino und Umberto Eco sind noch heute sehr viel gelesene Autoren in Polen. Der Einfluss von Elena Ferrante unter den jungen polnischen Schriftstellern und vor allem Schriftstellerinnen nimmt zu. Roberto Saviano ist weiterhin ein leuchtendes Beispiel für viele Journalist/-innen. Ich freue mich besonders über das steigende Interesse für das Werk von Carlo Emilio Gadda, das von der herausragenden Übersetzerin für italienische Literatur Anna Wasilewska übertragen wird. Die Rolle der Übersetzenden ist heutzutage wesentlich. Es sind die größten Botschafter/-innen der italienischen Literatur und ich sehe mit Freude, dass neue Namen auf die Szene treten. Das Buch von Matteo Bussola wurde für uns von Katarzyna Skórska übersetzt. Aber wir brauchen mehr Übersetzer/-innen und Dolmetscher/-innen, das ist sicher. In diesem Jahr ist im Rahmen des Festivals eine Reihe von Workshops zur Übersetzung aus dem Italienischen geplant. Unter den sieben Sprachen, die für dieses Jahr vorgesehen sind, hat Italienisch das größte Interesse erregt. Das ist ein gutes Zeichen für die Zukunft!