Auf dem Weg nach Frankfurt 2024 Interview mit Susanne Simor, Leiterin des Auslandsbüros des C.H. Beck Verlags.
Autor: Maddalena Fingerle

Susanne Simor, geboren in Budapest, leitet das Büro für Auslandsrechte des C.H. Beck Verlags. Sie hat Romanistik und Germanistik studiert und an der Fakultät für Germanistik der Universität München mehrere Kurse zum Thema Verlagswesen gehalten. Sie hat für Suhrkamp, Farrar Straus & Giroux und Feltrinelli gearbeitet und spricht fünf Sprachen, Ungarisch (ihre Muttersprache), Deutsch, Italienisch, Französisch und Englisch.
Sie haben eine tiefe Verbindung zu Italien, wann und wie ist es dazu gekommen?
Meine große Nähe zu Italien habe ich verschiedenen Umständen in meinem Leben zu verdanken. Ich könnte auch sagen, dass die italienische Sprache nach und nach in meine Gedanken eingedrungen ist, so wie die italienischen Schriftsteller/innen, die mir schon seit langem Gesellschaft leisten. Ich hatte viele Jahre Latein in der Schule, da es mir sehr gut gefallen hat. Vom Lateinischen zum Italienischen war es für mich nur ein kleiner Schritt. Italienisch habe ich an der Universität gelernt, während ich die Geschichte der italienischen, französischen und deutschen Literatur in München, an der Ausländeruniversität in Perugia und an der Universität von Nantes studierte.
Während meines Studiums der Romanistik in München bin ich zufällig auf die Gedichte von Eugenio Montale gestoßen, die mich auch in den dunklen Zeiten meines Lebens, wie der Covid-Zeit mit ihren Ausgangssperren, immer wieder ermutigten. Wenn mich etwas bedrückte, kamen mir immer einige seiner Gedichte in den Sinn.
Während eines Praktikums bei Feltrinelli hatte ich auch das Glück, zeitgenössischen Schriftstellern wie Gianni Celati, Antonio Tabucchi oder Erri de Luca zu begegnen.
Wann haben Sie angefangen, für Beck zu arbeiten und warum?
Ich habe Anfang der 90er Jahre begonnen bei C.H. Beck zu arbeiten, weil mir der Verleger Wolfgang Beck die Leitung des damals noch im Aufbau befindlichen Auslandsbüros anbot. Das Übersetzungsgeschäft hat mich schon immer gereizt. Der Gedanke, dass ein Buch in einer anderen Sprache durch jemanden wieder zum Leben erweckt werden kann, der nicht der Autor des Buches ist, hat mich schon immer fasziniert.
Hat sich Ihr Blick auf die Literatur von damals bis heute verändert? Wenn ja, auf welche Weise?
Was sich im Laufe der Jahre verstärkt hat, ist das Staunen über den Reichtum an Phantasie und Erfindungsgabe. Auch der Respekt vor den ganz unterschiedlichen Sensibilitäten der Schriftsteller wächst mit der Zeit. Wie viele Welten bieten uns Bücher, die unser Leben bereichern, indem sie ihm eine unglaubliche Vielstimmigkeit verleihen!
Welche Aspekte berücksichtigen Sie bei der Entscheidung, Übersetzungsrechte für einen italienischen Roman zu kaufen und welche halten Sie für den Verkauf deutscher Romane in Italien für wichtig? Was muss ein Buch oder ein Autor/eine Autorin haben, um Sie zu interessieren?
Bevor man die Übersetzungsrechte für ein Buch kauft, muss man herausfinden, ob es den Funken oder die Originalität hat, die ihm eine Schlüsselposition auch auf einem ausländischen Markt verschaffen kann, auf dem der Autor oder die Autorin noch nicht bekannt ist. Eine Übersetzung ist immer teurer als eine Ausgabe in der Originalsprache, denn es müssen Lizenzgebühren und Übersetzungskosten bezahlt werden, aber auch ein Lektor, der die Übersetzung überprüft. Diese zusätzlichen Kosten für den Verlag, der die Rechte kauft, müssen wieder hereingeholt werden. Ein sehr prestigeträchtiges Verlagsprojekt ist unsere sechsbändige Geschichte der Welt, herausgegeben von Akira Iriye und Jürgen Osterhammel, die wir gemeinsam mit Harvard UP realisiert haben. In Italien hat Giulio Einaudi alle 6 Bände, d. h. insgesamt 6391 Seiten, veröffentlicht. Der italienische Markt hat diese Bände sehr gut aufgenommen, so dass in Italien einige der Beiträge in den Bänden auch als eigenständige Bücher veröffentlicht wurden.
Wenn ich die Rechte an einem Buch in Italien verkaufen will – was bei uns der häufigste Fall ist, muss ich einen italienischen Verlag von der Einzigartigkeit des Buches so weit überzeugen, dass er die Übersetzungskosten übernimmt.
Gibt es ein Thema, das in deutschsprachigen Ländern funktioniert, aber nicht in den italienischsprachigen und umgekehrt? Wenn ja, warum Ihrer Meinung nach?
Der italienische Markt ist sehr empfänglich für deutsche Bücher, die in Deutschland erfolgreich sind. Vor allem deutsche Sachbücher werden häufig ins Italienische übersetzt, deutsche Belletristik wird meiner Meinung nach etwas weniger ins Italienische übersetzt, außer bei den großen klassischen Autoren. Im Bereich der Geschichte im Allgemeinen, der Kulturgeschichte, der Religionsgeschichte oder der Kunstgeschichte, ist der deutsche Markt sehr ergiebig. Es gibt eine unglaubliche Vielfalt an Titeln, eine Vielstimmigkeit, die sich auch die italienischen Verlage zunutze machen, indem sie einen großen Teil davon übersetzen. Dieser Reichtum ist auch der Tatsache geschuldet, dass Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg ein größeres Bedürfnis hatte, seine Vergangenheit aufzuarbeiten als Italien. Unser größter Verkaufserfolg im Ausland war das Buch Das Schloss der Schriftsteller, in dem Uwe Neumahr die Nürnberger Prozesse aus der Sicht der internationalen Journalisten, die damals dabei waren, aufarbeitet. Das in sieben Sprachen übersetzte Buch wurde in Deutschland zum Bestseller. In Italien wird es demnächst bei Marsilio erscheinen, und schon vor seinem Erscheinen hat Il Corriere della Sera ausführlich darüber berichtet. Dass der italienische Markt deutsche Bücher willkommen heißt, liegt auch an den vielen Lektoren in Italien, die Deutsch lesen. Leider ist der deutsche Markt nicht so empfänglich für italienische Bücher. Abgesehen von einigen wenigen spezialisierten Verlagen wie Wagenbach oder dem Hanser Verlag gibt es im deutschen Verlagswesen immer weniger Lektoren, die Italienisch lesen.
Wenn wir bisher versucht haben, den Erfolg eines italienischen Buches in Deutschland zu reproduzieren, waren die Verkaufszahlen oft enttäuschend im Vergleich zu unseren Erwartungen. Jede Regel hat jedoch auch eine Ausnahme. Für uns ist dies der erste Roman von Giuliano da Empoli, Der Magier im Kreml, den wir allerdings aus dem französischen Original übersetzt haben.
Wenn ein Autor bereits auf dem Markt seines eigenen Landes etabliert ist, kann es sein, dass er sich gut verkauft, in einem anderen Land aber unbemerkt bleibt, da ihn dort keiner kennt. Für eine Übersetzung müssen also Bücher gefunden werden, die originell oder brillant genug sind, um sich durchzusetzen, unabhängig davon, ob der Autor bekannt ist oder nicht. Wenn es einem Buch also gelingt, die Grenze seiner eigenen Sprache zu überschreiten, bedeutet dies, dass seine Botschaft wirklich originell ist und jenes Feuer enthält, das überall durchscheint.
In den letzten Jahren hat die wachsende Popularität und Attraktivität der Turiner Buchmesse viel dazu beigetragen, den internationalen Austausch mit italienischen Verlegern zu fördern.
Gibt es ein Buch, das Sie gerne veröffentlicht hätten, das aber von einem anderen Verlag herausgegeben wurde? Und eines, das Sie gerne verkauft hätten, das aber nicht verkauft wurde?
Wenn ein Buch von einem anderen Verlag übersetzt wird, ist das nicht weiter tragisch, denn wichtig ist nur, dass jedes Buch seinen perfekten Platz findet, um auf einem neuen Markt eingeführt zu werden. Natürlich ist es uns schon oft passiert, dass wir ein Projekt aufgeben mussten, weil das Angebot eines anderen Verlags höher war als unseres. Aber wir sind ein unabhängiges Familienunternehmen und kein Großkonzern, und so etwas kann durchaus vorkommen.
Viel schlimmer ist es, wenn ein Buch, das es verdient, übersetzt zu werden, nicht übersetzt wird, weil niemand seinen Wert für einen ausländischen Markt erkennt. Ebenso tragisch ist es, wenn ein Buch übersetzt und vom falschen Verlag veröffentlicht wird, d. h. von einem Verlag, der es nicht seinem Zielpublikum zugänglich macht.
Im Bereich der Sachbücher haben wir eine schöne Globalgeschichte des Kapitalismus, die dieses Jahr in Frankfurt erscheinen wird. Der Autor ist Friedrich Lenger, und der Titel lautet Der Preis der Welt. Zu den globalen Ungleichheiten, die der Kapitalismus hervorgebracht hat, gehören der ungleiche Verbrauch fossiler Ressourcen und die Zerstörung der Umwelt, die in den verschiedenen Regionen der Welt sehr unterschiedlich zu spüren sind. Und so gleichgültig wie die kommerziellen und industriellen Kapitalisten gegenüber der Natur waren, so gleichgültig waren sie auch gegenüber dem menschlichen Leid. Das Buch ist daher eine unverzichtbare Lektüre für alle, die die Komplexität der heutigen Probleme verstehen oder sich an der politischen Debatte beteiligen wollen. Dieses Buch ist sowohl für den italienischen als auch für den deutschen Markt wichtig, deshalb hoffe ich, auch einen italienischen Verlag dafür zu finden.
Ein weiteres Buch, das eine italienische Übersetzung verdienen würde, ist der neue Roman von Sabine Gruber mit dem Titel Die Dauer der Liebee. Die mit zahlreichen Literaturpreisen ausgezeichnete Autorin wurde in Meran geboren und hat daher italienische Wurzeln, die sich in ihren Romanen widerspiegeln. Sabine Gruber versteht sich als deutschsprachige Europäerin mit italienischem Pass. Da sie bereits mit einem anderen Roman von Marsilio übersetzt wurde, ist die Autorin einem gewissen italienischen Publikum schon bekannt. Ihr neuestes Buch, das vor kurzem erschienen ist, ist stark autobiografisch und meiner Meinung nach das überzeugendste, das sie bisher geschrieben hat. Mit unglaublicher Energie und einer sehr kraftvollen Sprache erzählt das Buch eine Geschichte von Verlust und Verrat, zeigt aber auch, wie man nach dem Durchqueren der Trauerwüste wieder ins Leben zurückfindet und bietet damit auch die Geschichte einer Heilung. Auf der Frankfurter Messe hoffe ich, auch für diese Bücher eine neue italienische Heimat zu finden.
