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30 April 2024

Das italienische Buch in Südkorea: die jüngsten Tendenzen

Autor: Moonjung Park, traduttrice e docente di letteratura italiana presso la Hankuk University of Foreign Studies di Seoul

Das italienische Buch in Südkorea: die jüngsten Tendenzen

Moonjung Park lehrt italienische Literatur an der Hankuk University of Foreign Studies in Seoul und kennt die Situation des italienischen Buchs in Südkorea sehr genau. In den letzten Jahren, erklärt uns Moonjung Park, ist die Aufmerksamkeit für italienische Bücher in Südkorea erheblich gestiegen, und zwar nicht nur für Belletristik (Eco, Tabucchi, Ferrante usw.), sondern auch für philosophische und wissenschaftliche Sachbücher, wie die jüngsten Übersetzungen von Autoren wie Giorgio Agamben, Roberto Esposito und Carlo Rovelli beweisen.

 

Korea liegt wie Italien auf einer Halbinsel und bildete daher seit jeher eine Brücke zwischen verschiedenen Kulturen. Seine Öffnung für Einflüsse aus fremden Nationen zeigte sich insbesondere im lebhaften Interesse für die Literatur anderer Länder und in der beträchtlichen Zahl an Übersetzungen.

Vor der Neuzeit waren die Berührungspunkte der koreanischen Kultur vorwiegend China und Japan. In der Neuzeit begann Südkorea dagegen, in den Okzident zu blicken, vor allem in Richtung USA. Aus diesem Grund kamen die wichtigsten Werke der westlichen Kultur zunächst ausschließlich in ihrer englischen oder japanischen Version nach Korea; erst später wurden sie ins Koreanische übersetzt. Auch die ersten italienischen Bücher wurden in Südkorea nicht als Originaltexte gelesen, sondern über Versionen aus vorherigen Übersetzungen in europäische Sprachen wie Englisch, Französisch und Deutsch. Dabei muss man berücksichtigen, dass die koreanische Kultur im 20. Jahrhunderts eine große Verbreitung der englischen Sprache in Südkorea erlebte, sowie in geringerem Maße der französischen, deutschen und japanischen Sprache. Die Kenntnis des Italienischen blieb dagegen auf enge Fachkreise begrenzt.

Diese Situation ist für zwei Hindernisse verantwortlich, die sich der Verbreitung italienischer Bücher in Korea entgegenstellten. In erster Linie stammten die Auswahlkriterien der Werke zwangsläufig aus dem Herkunftsland der Erstübersetzung, ohne das Werturteil über diese Werke seitens der intellektuellen Welt in Italien zu berücksichtigen. Deshalb kamen als erste italienische Bücher die Titel nach Korea, die schon in den Ländern angelsächsischer Kultur einen absolut hohen Rang erreicht hatten. Die koreanischen Verlage versuchten ihrerseits, ein selbstständiges, sachliches Kriterium – das auch vom verlegerischen Standpunkt Garantien bieten könnte – für die Auswahl italienischer Texte für ihre Leserschaft zu formulieren. Diese Recherche führte dazu, dass unter den wichtigsten italienischen Autorinnen und Autoren die Namen gewählt wurden, die im Laufe des 20. Jahrhunderts den Literaturnobelpreis erhalten hatten. Von den Werken dieser Autoren brachten die Verlage dann eine anthologische Auswahl heraus, häufig im Rahmen von breiteren Sammlungen aus der Weltliteratur. Und das ist der Grund, weshalb die koreanischen Leserinnen und Leser als erste italienische Autoren Pirandello und Deledda kennen lernten, wobei Letztere in Italien zwar sicher geschätzt, aber nicht als erstrangige Schriftstellerin betrachtet wird. Zu dieser Entscheidung trug außerdem bei, dass sie Autoren von Prosawerken sind: Dadurch konnten sich die Übersetzer an Texten messen, die einfacher zu übersetzen sind als die Lyriksammlungen von anderen Nobelpreisträgern wie Carducci oder Montale. Zweitens führte der Rückgriff auf eine Vermittlersprache zwischen dem Originaltext und der koreanischen Version sowohl zu spezifischen Übersetzungsfehlern als auch generell zum Verlust der sprachlichen Sensibilität, die nötig ist, um den Wert und den „Geschmack“ der italienischen Werke ins Koreanische zu übertragen. 

Glücklicherweise hat sich die Zahl der italienischen Werke, die direkt ins Koreanische übersetzt wurden, im neuen Jahrtausend rasch erhöht. Dies liegt daran, dass koreanische Forschende oder Studierende – die Italienisch sowohl in Hochschulkursen in Korea als auch beim Studium in Italien lernten – nach ihrem Sprachstudium begannen, die Texte seriös direkt aus der Originalsprache zu übersetzen. Es ist daran zu erinnern, dass die Liberalisierung der Auslandsreisen in Südkorea Anfang der neunziger Jahre in Kraft trat: Seitdem können Südkoreaner/-innen einfacher ins Ausland reisen oder umziehen. Demzufolge konnten viele Forschende ihren Kenntnisstand der italienischen Sprache und Kultur verbessern, da sie Italien persönlich bereisen und lange Studienzeiten auf der italienischen Halbinsel verbringen konnten. Die Früchte dieser Entwicklung wurde bereits Anfang der nuller Jahre deutlich: 2004 wurde zum Beispiel direkt aus dem Italienischen eine Auswahl aus dem Canzoniere von Petrarca übersetzt, und 2007 erschien die koreanische Übertragung des Originaltextes der Göttlichen Komödie von Dante

Abgesehen von den Klassikern konzentrierte sich das Interesse des koreanischen Publikums in den letzten Jahren auf einige Autoren und Autorinnen der Gegenwart wie Eco, Tabucchi und Ferrante. Dies scheint durch die größere Affinität ihrer Themen zur koreanischen Kultur gerechtfertigt, die ihr – aus historischen, philosophischen und literarischen Gründen – sicher näher stehen als die von zahlreichen Schriftstellern, die im Laufe des 20. Jahrhunderts eher typisch italienische und europäische Probleme behandelten.

Insbesondere Umberto Eco ist bei koreanischen Leserinnen und Lesern sehr beliebt, denn er gilt als gute Einführung in die westliche Kultur, vor allem was das Mittelalter betrifft. Besonderen Erfolg hatte sein erster Roman Der Name der Rose, der schnell weltweite Resonanz errang, gefolgt von Das Foucaultsche Pendel und zahlreichen anderen Prosawerken. Die koreanische Leserschaft zeigte allerdings auch bemerkenswertes Interesse für seine essayistischen Werke, die ebenso an seine Tätigkeit als Hochschulprofessor wie an seine außerordentlichen Fähigkeiten als Kulturvermittler geknüpft sind. Dank dieser Popularität veröffentlichte der koreanische Verlag Openbooks 2009 eine 25-bändige Reihe mit dem Titel „Umberto Eco Mania Collection Set“ mit einer Auswahl von Ecos Texten. 

Was dann Tabucchi betrifft, wurde nach der Nachricht seines Todes ab 2013 eine anthologische Sammlung aus seinen Werken vom Verlag Munhak Dongne herausgegeben. Auch Elena Ferrante hat in Korea große Beliebtheit erreicht, vor allem dank der Neapolitanischen Saga, die mit Meine geniale Freundin begann und deren vier Bände alle ins Koreanische übersetzt wurden. Von diesem Werk erschien auch eine Theaterbearbeitung sowie eine OTT-Serie. In Korea sind diese Over-the-Top-Dienste als neue Art der Nutzung der zeitgenössischen „Medien-Erzählung“ weit verbreitet.

Auch philosophische und wissenschaftliche Sachbücher aus Italien wurden ins Koreanische übersetzt. Unter den bedeutendsten Beispielen können wir Autoren wie Giorgio Agamben und Roberto Esposito nennen. Schon 2008 wurde Agambens Essay Homo Sacer ins Koreanische übersetzt, gefolgt von An welchem Punkt stehen wir – der koreanischen Übersetzung von L’uomo senza volto, die noch vor der italienischen Ausgabe erschien – und von Diritto di resistere. 2022 wurden Immunitas und Communitas von Esposito ins Koreanische übersetzt, während ab 2016 vier Bände des Physikers Carlo Rovelli in koreanischer Übersetzung erschienen, darunter Sieben kurze Lektionen über Physik und Die Ordnung der Zeit, die zu Bestsellern bei der koreanischen Leserschaft wurden.

Abschließend können wir sagen, dass mit diesen jüngsten Veröffentlichungen die Verbreitung des italienischen Buches in Südkorea in ihre dritte Phase eingetreten zu sein scheint. Nach einer ersten Phase, in der italienische Werke durch Vermittlung des Japanischen oder der angelsächsischen Versionen ins Koreanische gelangten, folgte dann eine Phase, die von der direkten Übersetzung der Originalwerke, vor allem literarischer Art, geprägt war, und schließlich die Förderung von Werken für eine breitere, gründlichere Kenntnis der italienischen philosophischen und wissenschaftlichen Kultur.

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treccani

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