Antonio Tabucchi in aller Welt: Übersetzungen und ihre Bildsprache
Von Büchern und Bändern
Diese virtuelle Ausstellung von Einbänden der übersetzten Werke von Antonio Tabucchi konfrontiert uns mit einem scheinbaren konzeptionellen Widerspruch: Der Einband eines Buches ist in der Tat, zusammen mit dem Geruch der Seiten und dem Geräusch, das sie beim Durchblättern machen, eine der symbolischsten Verkörperungen des Buches als Objekt, zumindest im 20. Jahrhundert. Diese so physischen und gleichzeitig so metaphysischen und metaphorischen Teile des Buches können jetzt jedoch digital auf Computerbildschirmen reproduziert werden, wo sie jeder bewundern kann. Dies scheint mir ein grundlegender Wendepunktpunkt unserer Zeit zu sein: Das Buch, obwohl es ungreifbar geworden ist, ohne physische Natur, frei von Staub und Holzwürmern, die sein Leben seit seiner Erfindung durch die Zeit begleitet haben, kann nicht auf seine materielle Natur verzichten und wird nun zum Scheinbild, das auf das Original verweist. Doch jenseits der Pixel, aus denen es sich nun zusammensetzt, ist es leicht, die Existenz physischer Objekte wahrzunehmen, die den Leser oder die Leserin auf ihrer Reise begleiten, sowohl in den eigenen vier Wänden als auch in der Jackentasche, vielleicht zusammen mit einem Stift und einem Notizbuch, vielleicht von Lesern, die einige der verschiedensten und faszinierendsten Orte und Gegenden der Welt bewohnen. Ja, denn diese notwendigerweise unvollständige Auswahl von Titelseiten der in anderen Sprachen veröffentlichten Werke Tabucchis zeigt uns zuallererst, dass Tabucchi ein beliebter und vielgelesener Schriftsteller war und ist, und zwar unabhängig von den geografischen Koordinaten und der Sprachfamilie der Leser. Man gelangt vom (unter vielen Aspekten) benachbarten Portugal über das allseits geliebte Frankreich bis zum (unter vielen Aspekten) fernen Japan, über Thailand oder Finnland, die abgesehen von der germanischen Endung ihrer europäisierten Namen nur wenig gemeinsam haben. Und dann Polen und Serbien, Rumänien, die Türkei, Großbritannien und die Vereinigten Staaten, Deutschland und Griechenland, und wieder Spanien und sogar China.
Die Einbände sind natürlich sehr unterschiedlich, ebenso wie die entsprechenden Verlage und die Sprachen, in die diese Bücher übersetzt und dann gelesen wurden. Einige von ihnen erzählen, wenn man sie nebeneinander stellt, ein Fragment der Verlagsgeschichte des Buches, von der sie ein Teil sind – dies ist der Fall bei den Einbänden in englischer Sprache, die von der wechselnden Übersetzung des Titels des vielleicht berühmtesten Werkes von Tabucchi, Sostiene Pereira, zeugen – andere wiederum erzählen die Geschichte eines Einbands, der in verschiedenen Ländern und Sprachen präsent ist – wie der von Tristano muore oder Si sta facendo sempre più tardi -, wieder andere erzählen aufgrund ihrer Einzigartigkeit von besonderen Büchern, die nur in dieser Form veröffentlicht wurden und die es in Italien nicht gab – wie der zweisprachige Band Cinéma, der bei Gallimard erschienen ist, oder die beiden griechischen Kurzgeschichten, die nur beim Athener Verlag Agra veröffentlicht wurden. Hier finden wir auch Tabucchis bevorzugte Schauplätze für seine Geschichten, die durch ein azulejo-Fragment, eine lisboeta, d.h. eine typische Lissabonner Straßenlaterne oder die Abbildung eines Wals dargestellt werden, und wir können seine große Leidenschaft für die Malerei und die Fotografie wiederentdecken: Kein Wunder, denn für Antonio Tabucchi war der Einband eines seiner Bücher ein integraler Bestandteil des Buchobjekts, das er seinen Lesern anvertraute, und er kümmerte sich stets selbst darum, und zwar für alle Ausgaben seiner Werke, solange er lebte.
Beim Anblick all dieser Einbände verspürt man eine Art Schwindelgefühl, als ob man mit einem Augenzwinkern fast um die ganze Welt reisen könnte. Die Werke von Antonio Tabucchi wurden in mehr als 40 Sprachen übersetzt, und so kann man sicher sein, dass es mehr oder weniger überall auf der Welt, zumindest dort, wo Bücher veröffentlicht werden, irgendwann einen Gelehrten, einen Übersetzer oder einen Verleger gab, der das Bedürfnis hatte, ein Werk des italienischen Schriftstellers in ein neues und zugleich identisches Objektbuch zu übersetzen, das auch diejenigen erreichen kann, die die Muttersprache des Schriftstellers nicht kennen. Dies beweist zweifellos nicht nur den Wert der Romane, Erzählungen und Sachbücher von Antonio Tabucchi, den Kritiker und Literaturwissenschaftler in aller Welt seit langem erkannt haben, sondern auch ihr universelles Wirkungspotenzial, das vielleicht – zumindest für den Schriftsteller – das wichtigste Attribut eines Kunstwerks ist, unabhängig von der Ausdrucksform, die der Künstler wählt, um es zu realisieren. Es gibt Bücher, die, so erfolgreich sie zum Zeitpunkt ihres Erscheinens auch sein mögen, bald in Vergessenheit geraten, selbst bei denen, die sie zu schätzen wussten. Andere wiederum sind in der Lage, durch die Zeit zu reisen, in besonderen Momenten des Lebens vom Vater auf die Tochter überzugehen oder – nicht ohne einen heftigen Schauer über den Rücken zu jagen – in der Manteltasche einer Freundin in einem von einer schrecklichen Diktatur heimgesuchten Land versteckt zu werden und durch den Raum zu reisen, indem sie dank der Übersetzer und Verleger ihre Gestalt wie der Gott Proteus verändern, um von Männern und Frauen in der ganzen Welt verstanden zu werden. Die Bücher von Tabucchi gehören zu der letztgenannten Kategorie und sind deshalb so wichtig.
Man fühlt sich an Maria Lai erinnert, die große italienische Künstlerin, die in den 70er Jahren die Menschen und Häuser ihres Dorfes Ulassai mit einem blauen Band einfach an dem Berg festband, der es dominierte. Lai vertrat nämlich die Ansicht, dass die Kunst die Galerien verlassen und zu den Menschen zurückkehren sollte, weil ihre größte Wirkungskraft, abgesehen von ihrer Fähigkeit Erstaunen zu wecken, eben in ihrer Gabe liegt, Menschen zu vereinen. Und das blaue Band, das die Einwohner von Ulassai geduldig Dutzende von Malen verknoteten und dabei Missgunst und Streitigkeiten überwanden, symbolisierte für Lai die Kunst selbst.
Wenn man die Titelseiten von Tabucchis Werken nebeneinander betrachtet, gelingt es vielleicht, diese universelle Kraft seines Schreibens visuell wiederherzustellen, die in der Lage ist, sehr unterschiedliche Menschen anzusprechen und sie genau wie das blaue Band von Maria Lai zu vereinen. Die Literatur ist an sich universell und widersetzt sich jeglicher Etikettierung und jeglichem Nationalismus, weil sie im Grunde zutiefst menschlich ist.
Clelia Bettini, Ph.D. für Vergleichende Literaturwissenschaft
Plac włoski (Piazza d'Italia)
- Jahr: 1983
- Publisher: Kraków, Wydawnictwo Literackie, tr. into Polish by Młynarska Henryka
イタリア広場 (Piazza d'Italia)
- Jahr: 2009
- Publisher: 東京, Hakusuisha, tr. into Japanese by Mariko Muramatsu
O jogo do reverso (Il gioco del rovescio)
- Jahr: 1983
- Publisher: Lisboa, Vega, tr. into Portoguese by Maria José de Lancastre and Maria Emília Marques Mano
O Jogo do reverso (Il gioco del rovescio)
- Jahr: 1990
- Publisher: Lisboa, Quetztal, tr. into Portoguese by Maria José de Lancastre and Maria Emília Marques Mano
Das Umkehrspiel (Il gioco del rovescio)
- Jahr: 2000
- Publisher: Munchen, Carl Hanser, tr. into German by Dagmar Türck-Wagner and Karin Fleischander
Το παιχνίδι της αντιστροφής (Il gioco del rovescio)
- Jahr: 2005
- Publisher: Αθήνα, Agra, tr. into Greek by Antheos Chrisostomidis
Femme de Porto Pim et autres histoires (Donna di Porto Pim)
- Jahr: 1993
- Publisher: Paris, Bourgois, tr. into French by Lise Chapuis
The Woman of Porto Pim (Donna di Porto Pim)
- Jahr: 2013
- Publisher: New York, Archipelago Books, tr. into English by Tim Parks
Nocturno Indiano (Notturno indiano)
- Jahr: 1985
- Publisher: Lisboa, Quetztal, tr. into Portoguese by Maria Emília Marques Mano
Νυχτερινό στην Ινδία (Notturno indiano)
- Jahr: 1990
- Publisher: Αθήνα, Ulysse, tr. into Greek by Zorba Mirsini
Νυχτερινό στην Ινδία (Notturno indiano)
- Jahr: 2011
- Publisher: Αθήνα, Agra, tr. into Greek by Antheos Chrisostomidis
Nocturno indiano (Notturno indiano)
- Jahr: 2012
- Publisher: Lisboa, D. Quixote, tr. into Portoguese by Gaëten Martins de Oliveira
Kleine Mißverständnisse ohne Bedeutung: Erzählungen (Piccoli equivoci senza importanza)
- Jahr: 1986
- Publisher: Munchen, Carl Hanser, tr. into German by Karin Fleischanderl
Little Misunderstandings of No Importance and Other Stories (Piccoli equivoci senza importanza)
- Jahr: 2021
- Publisher: London, Penguin Modern Classics, tr. into English by Frances Frenaye
O fio do horizonte (Il filo dell'orizzonte)
- Jahr: 1989
- Publisher: Lisboa, Quetzal, tr. into Portoguese by Helena Domingos
Vanishing Point (Il filo dell'orizzonte, Donna di Porto Pim, I volatili del Beato Angelico)
- Jahr: 1991
- Publisher: London, Chatto & Windus, tr. into English by Tim Parks
Linija Horizonta (Il filo dell'orizzonte)
- Jahr: 2004
- Publisher: Београд, Rad, tr. into Serbian by Elizabet Vasiljevič
수평선 자락 (Il filo dell'orizzonte)
- Jahr: 2012
- Publisher: 서울, MunhakDongne, tr. into Korean by Sangjin Park
O anjo negro (L'angelo nero)
- Jahr: 1992
- Publisher: Lisboa, Queztal, tr. into Portoguese by Maria da Piedade Ferreira and Cristina Mendes
Der schwarze Engel (L'angelo nero)
- Jahr: 1996
- Publisher: Munchen, Carl Hanser, tr. into German by Karin Fleischanderl
黒い天使 (L'angelo nero)
- Jahr: 1998
- Publisher: 東京, Seidosha, tr. into Japanese by Yasunori Tsutsumi
Kara Melek (L'angelo nero)
- Jahr: 2018
- Publisher: Istanbul, Can Yayınları, tr. into Turkish by Neyyire Gül Işık
Beato Angelicos flygande varelser (I volatili del Beato Angelico)
- Jahr: 2010
- Publisher: Stockholm, Cartaditalias Bokserie, tr. into Swedish by Barbro Andersson
Os volateis de Fra Angelico (I volatili del Beato Angelico, Sogni e Ultimi tre giorni di Fernando Pessoa)
- Jahr: 2015
- Publisher: Lisboa, Don Quixote, tr. into Portoguese by Helena Domingos and Maria da Piedade Ferreira
Rêves de rêves (Sogni di sogni)
- Jahr: 1998
- Publisher: Paris, 10-18, tr. into French by Bernard Comment
Dreams of Dreams (Sogni di sogni e Gli ultimi tre giorni di Fernando Pessoa)
- Jahr: 2001
- Publisher: San Francisco, City Lights Publishers, tr. into English by Nancy J. Peters
Сны сноў (Sogni di sogni)
- Jahr: 2018
- Publisher: Мінск, Yanushkevich, tr. into Belarusian, by Voli Klas
Requiem
- Jahr: 1991
- Publisher: Lisboa, Quetzal, original edition in Portoguese
Requiem
- Jahr: 1994
- Publisher: New York, New Directions, tr. into English by Margaret Jull Costa
Rekviem (Requiem)
- Jahr: 1998
- Publisher: Praha, Volvox Globator, tr. into Czech by Irena Kurzová
Requiem
- Jahr: 2013
- Publisher: Tirana, Didaj, tr. into Albanian by Shpëtim Kelmendi
Tre siste dager (Gli ultimi tre giorni di Fernando Pessoa)
- Jahr: 1998
- Publisher: Oslo, Pax, tr. into Norwegian by Tor Fotland
Pereira prétend (Sostiene Pereira)
- Jahr: 1995
- Publisher: Paris, Bourgois, tr. into French by Bernard Comment
Sostiene Pereira (Sostiene Pereira)
- Jahr: 1995
- Publisher: Madrid, Anagrama, tr. into Spanish by Carlos Gumpert
Declares Pereira (Sostiene Pereira)
- Jahr: 1995
- Publisher: New York, New Directions, tr. into English by Patrick Creagh
Pereira Declares (Sostiene Pereira)
- Jahr: 1997
- Publisher: New York, New Directions, tr. into English by Patrick Creagh
Pereira prétend (Sostiene Pereira)
- Jahr: 1998
- Publisher: Paris, 10-18, tr. into French by Bernard Comment
Pereira iddia ediyor (Sostiene Pereira)
- Jahr: 2005
- Publisher: Istanbul, Can Yayınları, tr. into Turkish by Münir H. Göle
اچنین می گویدپریر (Sostiene Pereira)
- Jahr: 2014
- Publisher: تهران, Ketab-e Khorshid, tr. into Persian by Shaghayegh Sharafi
Pereira prétend (Sostiene Pereira)
- Jahr: 2016
- Publisher: Paris, Sarbacane, comic strip adaptation by Pierre-Henry Gomont
เปเรย์รายืนยัน (Sostiene Pereira)
- Jahr: 2018
- Publisher: กรุงเทพฯ, Reading Italy, tr. into Thaï by Nantawan Chanprasert
Pereira Maintains. a testimony (Sostiene Pereira)
- Jahr: 2021
- Publisher: London, Penguins Classics, tr. into English by Patrice Creagh
A cabeça perdida de Damasceno Monteiro (La testa perduta di Damasceno Monteiro)
- Jahr: 1997
- Publisher: Lisboa, Quetzal, tr. into Portoguese by Thereza de Lancastre
Ztracená hlava Damascena Monteira (La testa perduta di Damasceno Monteiro)
- Jahr: 2004
- Publisher: Praha, Havran, tr. into Czech by Alice Flemrová
หัวที่หายไปของดามัชเซนู มงเตย์รู (La testa perduta di Damasceno Monteiro)
- Jahr: 2013
- Publisher: กรุงเทพฯ, Reading Italy, tr. into Thai by Nanthawan Chanprasert
Η Νοσταλγία του Απείρου (Le nostalgie, l'automobile e l'infinito. Letture di Pessoa)
- Jahr: 2007
- Publisher: Αθήνα, Agra, tr. into Greek by Antheos Chrisostomidis
Η γαστρίτιδα του Πλάτωνα (La gastrite di Platone)
- Jahr: 1998
- Publisher: Αθήνα, Agra, r. into Greek by Antheos Chrisostomidis
Se face tot mai târziu (Si sta facendo sempre più tardi)
- Jahr: 2003
- Publisher: Bucureşti, Polirom, tr. into Rumenian by Mihai Minculescu
Ο Τριστάνο πεθαίνει (Tristano muore)
- Jahr: 2005
- Publisher: Αθήνα, Agra, tr. into Greek by Antheos Chrisostomidis
Tristano dies (Tristano muore)
- Jahr: 2015
- Publisher: New York, Archipelago, tr. into English by Elizabeth Harris
Die Zeit alert schnell (Il tempo invecchia in fretta)
- Jahr: 2010
- Publisher: Munchen, Carl Hanser Verlag, tr. into German by Karin Fleischanderl
O tempo envelhece depressa : nove histórias (Il tempo invecchia in fretta)
- Jahr: 2010
- Publisher: São Paulo, Cosac Naify, tr. into Brazilian by Nilson Moulin
Tiden åldras fort (Il tempo invecchia in fretta)
- Jahr: 2012
- Publisher: Stockholm, Wahlström & Widstrand, tr. into Swedish by Olov Hyllienmark
時は老いをいそぐ (Il tempo invecchia in fretta)
- Jahr: 2012
- Publisher: 東京, Kawade Shobo Shinsha, tr. into Japanese by Tadahiko Wada
Geschichten zu Bildern (Racconti con figure)
- Jahr: 2019
- Publisher: Munchen, Carl Hanser Verlag, tr. into German by Karin Fleischanderl
Viagens e outras viagens (Viaggi e altri viaggi)
- Jahr: 2013
- Publisher: Lisboa, Dom Quixote, tr. into Portoguese by Maria da Piedade Ferreira
Za Izabel (Per Isabel)
- Jahr: 2015
- Publisher: Београд, Paideia, tr. into Serbian by Elizabet Vasiljević
لإيزابيل (Per Isabel)
- Jahr: 2016
- Publisher: بيروت, Dar Al-Saqi, tr. into Arabic by Nabil Al-Mahaini
Cinéma et autres nouvelles (Cinema e altre novelle)
- Jahr: 2013
- Publisher: Paris, Gallimard, tr. into French by Bernard Comment
Λογοτεχνίας εγκώμιο - Elogio della letteratura
- Jahr: 2009
- Publisher: Αθήνα, Agra, tr. into Greek by Antheos Chrisostomidis (original edition in Greek)
Δύο ελληνικά διηγήματα (From Si sta facendo sempre più tardi)
- Jahr: 2000
- Publisher: Αθήνα, Agra, tr. into Greek by Antheos Chrisostomidis
Tabucchi par lui-même
- Jahr: 2019
- Publisher: Paris, Cahiers de l'Hôtel de Galliffet, tr. into French by Carole Cavallera (original edition in French and Italian)